Ex-Telekom-Chef will von Kooperation mit BND nichts mitbekommen haben

Der frühere Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Kai-Uwe Ricke, hat im NSA-Untersuchungsausschuss erklärt, nichts von der Operation Eikonal gewusst zu haben, also davon, dass von seinem Unternehmen Daten abgesaugt wurden.

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Ex-Telekom-Chef will von Kooperation mit BND nichts mitbekommen haben

(Bild: Oliver Berg, dpa (Archiv))

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Verständlich war Kai-Uwe Ricke, Chef der Deutschen Telekom von 2002 bis 2006, seine Ladung vor den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags nicht. Von Beginn seiner Zeugenvernehmung an machte er am Donnerstagabend klar, dass er der Falsche sei: Mit dem Bereich Sicherheit sei ein Vorstandsvorsitzender in einem so großen Unternehmen wie der Telekom zu seinen Zeiten nicht befasst gewesen.

Ricke konnte sich so nicht daran erinnern, ob Kooperationsverträge mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) je ein Thema im Vorstand gewesen wären. Unterschrieben habe er derartige Vereinbarungen jedenfalls nicht. Der damalige Personalvorstand Heinz Klinkhammer sowie unter ihm Thomas Königshofen seien für den Sicherheitsbereich zuständig gewesen. Auch Ex-Festnetz-Chef Josef Brauner hätte beteiligt gewesen sein können.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die Operation Eikonal, die zu Rickes Zeit 2004 mit Hilfe der Telekom begonnen wurde, war ein Gemeinschaftsprojekt von BND und NSA. Dabei sollten große Datenströme insbesondere aus Telekom-Glasfaserleitungen in Frankfurt erfasst werden. Ricke will davon erst vor Kurzem aus der Presse erfahren haben.

Nach dem früheren BND-Juristen Stefan Burbaum hatte vor Rickes Anhörung auch der unter dem Kürzel "S. L." firmierende Eikonal-Technikexperte aus Pullach im Ausschuss ausgesagt, dass die Telekom zunächst überzeugt werden musste, dass das Vorhaben rechtlich unbedenklich sei. Die Telekom habe sich zunächst darum gesorgt, dass er sie sich nicht im Rahmen der Gesetze bewegte, wenn sie es zuließe, Überwachungstechnik an einem eigenen Netzknoten einbauen zu lassen.

Die Telekom habe daher auf eine "Bestätigung von der Leitung des BND oder vom Bundeskanzleramt" als dessen Koordinationsstelle gedrängt, berichtete S. L. Seines Wissens nach sei diese "vom Letzteren" gekommen. Auf dieser Grundlage habe die Telekom "die Kooperation wahrgenommen", solange es noch keine rechtliche Anordnung gegeben habe, auch Internetverkehr auszuleiten.

Abgeordnete konfrontierten Ricke mit einem Schreiben des Kanzleramts, das an ihn persönlich gerichtet gewesen sei. Einen solchen Brief habe er nie gesehen, entgegnete Ricke. Vermutlich sei das Schreiben bei Brauner gelandet.

Ricke riet den Ausschussmitgliedern auch, die Schnittstelle zwischen der Telekom und dem Bundeswirtschaftsministerium zu beleuchten. Aufgrund der noch engen Verbindungen zum Staat sei die Telekom ein Unternehmen mit speziellen Verantwortungen.

Hätte Ricke von der Unbedenklichkeitserklärung von ganz oben gewusst, wäre die Zusammenarbeit ihm zufolge daraufhin nicht einfach gebilligt worden. Er wäre stutzig geworden und hätte sich den Fall wohl zumindest genauer angeschaut. Als er als Vorstandsvorsitzender antrat, sei generell aber alles darum gegangen, das Unternehmen zu entschulden. Der Aspekt Datenschutz habe erst mit der internen Spitzelaffäre 2008, in der auch gegen Ricke ermittelt wurde, wesentlich bedeutender geworden. Bei Gesprächen mit dem Kanzleramt sei es bis dahin vor allem um allgemeine Regulierungsfragen gegangen.

Ein Abendessen mit dem damaligem BND-Chef August Hanning in einem Bonner Restaurant habe es gegeben, räumte Ricke ein. Dies habe er in seiner Stellung "zum Kennenlernen" machen müssen. Ob es ein vorheriges Briefing gegeben habe, war ihm entfallen. Selbst der Name Hannings sagte ihm zu einem späteren Zeitpunkt des Kreuzverhörs nichts mehr.

Rund ums Jahr 2000 war Ricke als T-Mobile-Chef an der Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens Voicestream beteiligt. Damals sei er aber nicht mit dem Anti-Terror-Gesetz Patriot Act und dessen Überwachungsauflagen vertraut gewesen. Fragen neuer juristischer Bindungen durch den Deal habe die Rechtsabteilung behandelt. Auf Mobilfunkseite sei sich das Telekom-Management darüber klar gewesen, dass abgehört werden könne. Als es darum gegangen sei, US-Lizenzen für Funkspektrum zu ersteigern, hätten Telekom-Manager mit Krypto-Handys telefoniert. (anw)