Ralphs Odyssey: Der Erfinder der Spielkonsole ist tot

Ralph Baer hat die erste kommerziell vertriebene Spielkonsole konstruiert und damit vor über vierzig Jahren den Markt gemacht, auf dem heute Milliarden umgesetzt werden. Am Wochenende ist er im Alter von 92 Jahren gestorben.

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Ralphs Odyssey: Der Erfinder der Spielkonsole ist tot

Ralph Baer mit den Controllern der Brown Box.

(Bild: dpa)

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Ken Kutaragi hat Ralph Baer viel zu verdanken. Der US-Erfinder hat den Boden bereitet, auf dem Sony vor 20 Jahren die Erfolgsgeschichte der Playstation beginnen konnte. Während der Erfinder der Playstation von der Spielebranche für sein Lebenswerk geehrt wird, erinnern sich nur noch wenige an die Pioniere der Computerspiel-Ära. Ralph Henry Baer, der Erfinder der Spielkonsole, ist am Samstag im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in New Hampshire gestorben.

Baer hat in seinem langen Leben viele Erfindungen gemacht und dafür Patente erhalten. Er hat als Fernsehtechniker und für einen Zulieferer des US-Militärs gearbeitet. Die Idee, den Fernseher als Spielgerät zu benutzen, kam Baer schon Mitte der 1950er Jahre. Doch sollte es noch ein paar Jahre dauern, bis seine Idee marktreif und der Fernseher kein Luxusgut mehr war: 1972 brachte der später von Philips geschluckte US-Elektronikkonzern Magnavox die erste TV-Spielkonsole auf den Markt – die "Odyssey".

Rudolf Heinrich Baer wurde am 8. März 1922 im pfälzischen Rodalben geboren. Nach der Machtübernahme der Nazis emigrierte die jüdische Familie im Sommer 1938 über die Niederlande in die Vereinigten Staaten. 1940 machte der 18-Jährige eine Ausbildung zum Radiotechniker. Wegen seiner technischen Fähigkeiten diente er nach seinem Einzug in die US-Army drei Jahren in Eisenhowers Militärnachrichtendienst. Nach Kriegsende absolvierte er am American Television Institute ein Studium zum Fernsehtechniker.

Vom spielerischen Potenzial des Fernsehers war Baer schon früh überzeugt. 1966 begannen Baer und sein Kollege Bob Tremblay mit ersten Planungen für ein Spielgerät, das an den Fernseher angeschlossen wird. Ihr Arbeitgeber Sanders Associates, ein Hersteller von Militärtechnik, war nur mäßig begeistert, finanzierte aber die Weiterentwicklung. Nach sechs Prototypen war die "Brown Box" fertig: eine Kiste mit klobigen Kontrolldrehschaltern und einer Handvoll integrierter Spiele, bei denen es hauptsächlich darum ging, Lichtpunkte auf dem Bildschirm zu bewegen.

Ralph Baers Odyssey (9 Bilder)

Die Magnavox Odyssey kam mit viel Zubehör auf den Markt.
(Bild: Screenshot)

Mit Magnavox fand sich ein Lizenznehmer, der die Brown Box einem leichten Space-Age-Facelift unterzog und mit einigen technischen Änderungen auf den Markt brachte. Die verschiedenen Spiele für die Magnavox Odyssey – darunter Chase, Handball, Golf oder Ping Pong – wurden in Kassettenform in die Konsole gesteckt, die nur wenig mit den später etwa von Atari eingesetzten Cartridges zu tun hatten. Die Spielkassetten der Odyssey waren verpackte Leitungsbrücken, die die verschiedenen Spiele auf der Hauptplatine ansteuerten. Trotz der zahlreichen analogen Komponenten war die Odyssey im Kern eine digitale Spielkonsole mit Binärtechnik, betonte Baer.

Die batteriebetriebene Odyssey war nicht besonders leistungsfähig: Magnavox hatte sich gegen die von Baer schon implementierte Farbdarstellung entschieden, zudem gab die Konsole keinen Piep von sich. Mit dem Gerät wurden transparente, mit dem Spielfeld bedruckte Folien ausgeliefert, die man auf den Fernsehschirm legen konnte. Weil die Konsole zudem keine Spielstände zählen konnte, lagen für die Spiele passende Ergebniszettel sowie anderes Zubehör bei. Eine echte Neuheit war das für die Konsole erhältliche Lichtgewehr, auch eine von Baers Erfindungen.

Magnavox brachte die Odyssey im September 1972 für 100 Dollar auf den Markt, zu Weihnachten gingen über 100.000 Stück über den Tresen. Zusammen mit den zwei Nachfolgern verkaufte Magnavox bis 1974 rund 330.000 Konsolen. In Deutschland wurde die Odyssey von ITT Schaub Lorenz verkauft. Nach der Übernahme führte Philips die Marke weiter. Mitte der 1970er Jahre war der Markt bereitet. 1977 kam mit der legendären Atari 2600 der erste Star der zweiten Konsolengeneration heraus. 2006 kam der damals 84-Jährige Baer nach Deutschland und stattete dem Computerspielemuseum in Berlin einen Besuch ab – und freute sich über die Entwicklung, die Spielkonsolen seither durchgemacht haben.

Heute haben wir es mit "Next Gen"-Konsolen von Microsoft, Nintendo und Sony zu tun. Ist Baer dafür verantwortlich? "Absolut", sagte der Tüftler im vergangenen Jahr zu Ars Technica. Wurden seine Errungenschaften nicht genug gewürdigt? "Angesichts der Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten 2006 im Weißen Haus mir die National Medal of Technology an den Hals gehängt hat, und dass ich in die Hall of Fame der Erfinder aufgenommen wurde, fühle ich mich wirklich nicht missachtet."

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(vbr)