Verfassungschutz sorgt sich ums Internet
Der gestern vorgelegte Verfassungsschutzbericht fĂĽr 1999 warnt vor der wachsenden Anzahl extremistischer Inhalte im Internet.
Der am 4. April 2000 durch Bundesinnenminister Otto Schily vorgelegte Verfassungschutzbericht 1999 weist dem Internet eine besorgnisserregende Rolle zu. Dem Bericht zufolge nutzen extremistische Randgruppen aus dem In- und Ausland immer stärker das weltweite Datennetz zur Kommunikation, Organisation und Selbstdarstellung. Wie es heißt, hat sich etwa die Zahl der deutschen Seiten rechtsextremer Prägung von rund 200 im Vorjahr auf aktuell etwa 330 erhöht. Mittlerweile erstrecken sich die zweifelhaften Angebote auch auf den Vertrieb von indizierter Musik im MP3-Format und die Pflege von "Schwarzen Listen", in denen Adressen und Telefonnummern unliebsamer Zeitgenossen für Interessierte zugänglich sind. Sogar zwei Mordaufrufe unter Aussetzung eines Kopfgeldes sind letztes Jahr übers Internet verbreitet worden. In diesem Fall konnte der Täter allerdings ermittelt und verhaftet werden.
Weil es weltweit verfügbar ist und einen hohen Grad an Anonymität erlaubt, bildet das Internet nach Meinung der Verfassungsschützer das ideale Sprachrohr auch für illegale Gruppierungen. Webseiten lassen sich auch vom Ausland aus anlegen und pflegen. Eine Strafverfolgung ist schwer, wenn nicht sogar unmöglich. Die Überwachung von E-Mail gestaltet sich nicht nur technisch aufwändig, sondern bringt auch rechtliche Probleme mit sich. Solche Faktoren machen es den Gruppen, für die der Verfassungsschutz sich interessiert, ziemlich leicht – sie können für ihre Projekte in einer Weise und mit einer Effizienz werben, die bei konventionellen Medien unmöglich wäre. Weltweite Koordination und Organisation werden, wie es heißt, überhaupt erst durch das Internet praktikabel. Der Verfassungsschutzbericht legt nahe, gerade bei der momentan vorherrschenden Internet-Euphorie auch die Schattenseiten eines weltweiten Datennetzes im Auge zu behalten. (mst)