Deutsche Politiker und Computer

Wenn es um ihre Internet-Kenntnisse geht, verstummen sogar sonst redselige Politiker.

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Von
  • Antje Schmid
  • dpa

Wenn es um ihre Internet-Kenntnisse geht, verstummen sogar sonst redselige Politiker. Während Bundeskanzler Gerhard Schröder rund 20.000 Computerfachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland holen will, scheint der Nachholbedarf bereits im Bundeskanzleramt anzufangen: "Ich werde bald 56, ich will noch lernen, wie man mit dem Internet so umgeht, dass das nicht nur Pfuscherei ist", bekannte der Kanzler unlängst in einem Interview. Auch bei den Bundesministerien fallen die Antworten auf die Frage, wie es um die Computerkenntnisse der Hausherren und -damen bestellt ist, eher spärlich aus.

"Natürlich hat Herr Schily schon mal einen Computer benutzt", heißt es beispielsweise im Innenministerium. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium verlautet: "Minister Werner Müller hat einen PC in seinem Büro stehen." Und mehr noch: "Er hat auch einen E-Mail-Anschluss." Müller beantworte sogar hin und wieder Bürgeranfragen per E-Mail selbst, berichtet ein Sprecher. "Was heißt schon fit im Umgang mit der modernen Technik?" Müller jedenfalls könne seinen Computer selbst bedienen.

Im Gegensatz zu den Regierungspolitikern nutzen bundesweit bereits rund ein Drittel der BĂĽrger zwischen 14 und 69 Jahren das Internet, berichtet die NĂĽrnberger Gesellschaft fĂĽr Konsumforschung (GfK). Die Zahl der Nutzer habe sich innerhalb eines Jahres auf 15,9 Millionen verdoppelt. 5,8 Millionen der knapp 28 Millionen deutschen Haushalte haben einen Zugang zum Netz.

Einen Bericht, wonach Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an ihrer alten Olympia-Monica-Reiseschreibmaschine festhalte, auf der sie vor 25 Jahren ihre ersten jungsozialistischen Parolen tippte, wollte ihr Ministerium nicht bestätigen. Immerhin habe die Ministerin erst kürzlich an einem Chat im Internet teilgenommen und über politische Themen geplaudert. Offen präsentiert sich das Haus des Außenministers Joschka Fischer. "Er hat keinen Computer in seinem Büro", sagt ein Sprecher. "Vielleicht ja zu Hause", mutmaßt er weiter. Die E-Mails an den Grünen-Minister werden gleich an die Pressestelle weitergeleitet und von dort beantwortet. "Ich weiß nicht, ob Fischer das Gerät bedienen kann", bekennt der Sprecher.

Eine Ausnahme scheint Justizministerin Herta Däubler-Gmelin zu sein: "Die Ministerin surft im Internet und wie", sagt Sprecher Thomas Weber. "Der Ticker läuft bei ihr immer." Manchmal werde es sogar für ihre eigenen Mitarbeiter "bedrohlich": "Sie ist fitter als wir. In Sachen Multimedia können wir noch etwas von ihr lernen." Durch die neue Technik nehme auch die Arbeit zu, meint Weber. Däubler-Gmelin besitze eine "natürliche Neugier", daran könnten sich viele ein Beispiel nehmen. Auch manche Kollegen aus der Regierung. (Antje Schmid, dpa) (cp)