Auktion für Mobilfunk-Frequenzen: Neue Spektrum-Aufteilung könnte negative Folgen haben

Jede Versteigerung hat ihre Eigenheiten, so auch die kommende. Das Besondere an dieser: Eigentlich soll sie die Breitbandversorgung verbessern, könnte sie aber bei ungünstigem Verlauf für manche Netze vorübergehend sogar verschlechtern.

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Frequenzauktion: Spektrum-Änderungen könnten für Nutzer Folgen haben
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic
Inhaltsverzeichnis

Seit einigen Tagen herrscht Gewissheit, die Mobilfunkbranche muss sich auf eine neue Versteigerung von Frequenznutzungsrechten einstellen. Nach dem aktuellen Entwurf wird die Bundesnetzagentur die Auktion voraussichtlich im zweiten Quartal 2015 abhalten. Mit den neuen Nutzungsrechten sollen die deutschen Mobilfunknetzbetreiber laut Plan bis zum 31.12.2031 wirtschaften können; die Erlöse der Versteigerung fließen größtenteils dem Breitbandausbau zu.

Jede Versteigerung hat ihre Eigenheiten, so auch die kommende: Sie könnte den deutschen Mobilfunkmarkt gehörig durcheinanderwirbeln. Ein Teil des Spektrums stammt aus für den Mobilfunk gänzlich neuen Bändern (700- und 1500-MHz-Bereich), ein anderer Teil ist bereits in Gebrauch und wird nun neu versteigert, weil die Nutzungsrechte auslaufen (900 und 1800 MHz-Bereich). Klar ist, dass jeder Betreiber Spektrum aus dem neuen Bereich gutheisst und gern darum ringen wird, aber einen Bieterkampf um schon genutzte Bereiche würden sie am liebsten vermeiden. Dieser birgt nämlch die Gefahr, dass Betreiber in wichtigen Funkbereichen nach der Auktion zu wenig Spektrum haben.

Wirtschaftsgut und Zankapfel: Ein Teil des Mobilfunkspektrums kommt unter den Hammer. Im Bild ist die aktuelle Spektrumaufteilung zu sehen. Die Netzbetreiber haben besonders im 1800-MHz-Band ungleiche Ausgangssituationen. Das dürfte das Bietergerangel fördern. Wenns schlecht läuft, könnte sich für viele Kunden die Netzqualität zumindest vorübergehend verschlechtern.

Als Faustregel gilt zwar, je mehr Spektrum, desto besser und das kommende LTE-Advanced wird es auch noch erleichtern, getrennte Spektrumteile für noch schnellere Datendienste zusammenzufassen (Trägerbündelung von zum Beispiel 700-, 900- und 1800-MHz-Spektren), sodass es zunächst nicht so wichtig erscheint, in welchen Bereichen ein Betreiber seine Frequenzen hat. Doch für den Netzausbau ist nicht jede Frequenz gleich gut. Für den Ausbau auf dem Land eignet sich langwelliges Spektrum unterhalb 1000 MHz sehr gut, aber es wirft weniger ab, weil auf dem Land weniger Nutzer versorgt werden. Für Ballungsgebiete eignet sich das 1800-MHz-Band sehr gut. Je mehr man davon hat, desto schneller und desto preisgünstiger der Ausbau, desto höher die Netzkapazität, desto höher die Einnahme-Chancen.

Hat man zu wenig davon, kann man diesen Nachteil zwar kompensieren (z. B. mit 2,6-GHz-Zellen), aber dafür braucht es zusätzlichen Aufwand, also Zeit und Geld (2,6-GHz-Zellen sind deutlich kleiner, man braucht also mehr davon für dieselbe Fläche). Ein Mangel ein 900-er Frequenzen schränkt hingegen die GSM-Versorgung ein – die Qualität des Sprachdienstes sinkt, Kunden werden unzufrieden.

Bis ein Frequenz-Nachteil kompensiert ist, können für den Betreiber und dessen Kunden sehr unterschiedliche Folgen spürbar werden. Durch die geringere Kapazität sind Einbußen bei der Sprachqualität denkbar, aber auch geringere Spitzengeschwindigkeiten beim Surfen als bei den Mitbewerbern, weniger und kleinere Hotspots mit Spitzengeschwindigkeiten oder auch verlangsamter Netzausbau.

Die Spannung ergibt sich daraus, dass die drei Netzbetreiber teils sehr unterschiedliche Ausgangspositionen haben, sodass sie unterschiedlich viel Aufwand treiben müssen, um sich optimal mit Frequenzspektrum einzudecken. Und von der Frequenzausstattung hängt wesentlich ab, wieviel Aufwand sie treiben müssen, um eine hohe Dienstequalität zu gewährleisten.

aktuelle Frequenzzuteilungen über alle Bänder (MHz)
Frequenzbereich Telekom Vodafone E-Plus Telefónica Summe
450 MHz gepaart 2 × 1,25


2 x 1,25
800 MHz gepaart 2 × 10 2 × 10
2 × 10 2 x 30
900 MHz gepaart 2 × 12,4 2 × 12,4 2 × 5 2 × 5 2 x 34,8
1800 MHz gepaart 2 × 20 2 × 5,4 2 × 27,4 2 × 17,4 2 x 70,2
2000 MHz gepaart 2 × 9,9 2 × 14,85 2 × 19,8 2 × 14,85 2 x 59,4
2600 MHz gepaart 2 × 20 2 × 20 2 × 10 2 × 20 2 x 70
Σ gepaartes Spektrum 2 × 73,55 2 × 62,65 2 × 62,2 2 × 67,25 265,65
2000 MHz ungepaart 5 5 5 19,2 34,2
2600 MHz ungepaart 5 25 10 10 50
Σ gesamtes Spektrum je Netz 157,1 155,3 139,4 163,7 615,5

Die Startsituation ist in jedem der Bänder unterschiedlich. Manche Netzbetreiber neigen aber dazu, ihre Mitbewerber auf Distanz zu halten, indem sie selbst überproportional viel Spektrum ersteigern und den Konkurrenten möglichst wenig lassen. So haben beispielsweise Telefónica, Telekom und Vodafone den kleinsten Mitspieler E-Plus bei der Versteigerung von Frequenzen im 800-MHz-Band abgehängt; E-Plus ging dabei leer aus, blieb beim LTE-Ausbau zurück und hatte den LTE-Spitzengeschwindigkeiten von Telekom und Vodafone nur wenig entgegenzusetzen. Auch das hat dazu beigetragen, dass sich der kleinste Netzbetreiber schließlich in die Hände von Telefónica begeben hat.

Für Teilnehmer auf dem Land ist die Versteigerung er 700-er Frequenzen vermutlich doppelt interessant. Zumindest zu einem Teil soll die Technik die Breitbandversorgung deutlich verbessern. Und Experten stellen zusätzlich heraus, dass 700-MHz-Netze indirekt den Glasfaserausbau in der Fläche fördern, denn die LTE- Advanced-Basisstationen erhalten als Backhaul zum Kernnetz Glasfaseranbindungen. So kämen die schnellen Leitungen immerhin schon mal näher an die ländlichen Haushalte.

Doch gerade für das 700-er Band erwarten manche Beobachter keinen scharfen Wettbewerb, also nur geringe Gebote. Sie sehen die Ausbauverpflichtungen und Zahlungsmodalitäten der Bundesnetzagentur als hemmend an. Innerhalb von drei Jahren nach Zuteilung der Frequenzen muss der Erwerber bundesweit eine Abdeckung mit mindestens 10 MBit/s (Downlink) für mindestens 98 Prozent der Haushalte erreichen, in jedem Bundesland aber mindestens 95 Prozent sowie in Stadtstaaten 99 Prozent. Die Hauptverkehrswege (Bundesautobahnen, ICE-Strecken) muss der Betreiber vollständige abdecken.

Jedoch müssen Erwerber laut dem aktuellen Entwurf bereits 2015 für die Nutzung der Frequenzen zahlen, könnten sie aber frühestens 2017/2018 bewirtschaften, weil in dieser Zeit die DVB-T2-Umstellung läuft. Das dafür gebundene Kapital stünde dann nicht für den Ausbau und die Optimierung der Netze zur Verfügung.

Für zusätzlich entspannte Haltung könnte auch sorgen, dass im 700-er Band keine Pfründe verteidigt werden müssen. Wenn die Qualität der eigenen Dienste nicht betroffen ist, kann man einem eventuell sehr ehrgeizigen Bieter schon mal ein überproportional großes Stück vom (wenig schmackhaften) Kuchen überlassen.

Mehr Spannungen kann man im 900-MHz-Band erwarten, denn dieses Band ist für die Flächenversorgung wichtig, auch für die Pflege des GSM-Kundenstamms. In manchen Ländern kommt es bereits für schnelle Datendienste per UMTS/HSPA oder LTE zum Einsatz; in Deutschland haben die Betreiber mittlerweile ebenfalls grünes Licht dafür (technologieneutrale Zuteilung).

Die BNetzA versteigert insgesamt 2 x 35 MHz, so viel, wie aktuell in Gebrauch sind. Telekom und Vodafone haben in diesem Band reichlich Spektrum (je 12,4 MHz), wollen aber das Niveau halten, um möglichst ohne große Umstellungen ihre zwar schrumpfende, aber nach wie vor vorhandene GSM-Kundschaft versorgen zu können. Umgekehrt könnte Telefónica mit mehr 900-er Spektrum seine ländliche Versorgung verbessern und nebenbei Druck auf die Mitbewerber ausüben, wenn es sich den größten Batzen schnappt. Rausgekickt aus dem 900-er Band wird aber kein Beitreber. Die Bundesnetzagentur hat festgelegt, dass nicht mehr als 15 MHz pro Betreiber vergeben werden, sodass für den Auktions-Verlierer immerhin 5 MHz übrig bleiben, sodass er den GSM-Betrieb aufrechterhalten kann (Maßnahme zur Infrastrukturerhaltung).

Das 1500-er Band ist ebenfalls neu, aber zumindest zurzeit unspannend, weil nur für TDD ausgelegt (Time Division Duplex, Sendern und Empfänger funken auf derselben Frequenz, aber abwechselnd). Vorherrschend ist weltweit FDD, dafür sind die meisten Geräte ausgelegt (Sender und Empfänger funken gleichzeitig, aber über verschiedene Frequenzen). Der neue TDD-Bereich dürfte später als Ergänzung zum Zuge kommen, um den Downlink zu beschleunigen.

Entwurf zur Frequenzauktion 2015
Band (MHz) Frequenzblöcke (MHz) Breite des Spektrums Vergabe-Einheit Betriebs- art Mindest- gebot (Mio. Euro) Herkunft Bemerkung
700 Unterband
703 - 733
Oberband
758 - 788
2 x 30 MHz 2 x 5 MHz (gepaart) FDD 75 terrestrisches TV, Umstellung auf DVB-T2 Digitale Dividende II gemäß der "Digitalen Agenda" der Bundes- regierung
900 Unterband
880,1 - 914,9
Oberband
925,1 - 959,9
2 x 35 MHz 2 x 5 MHz (gepaart) FDD 75 GSM-Mobilfunk Zuteilung läuft zum 31. Dezember 2016 aus
1500 1452 - 1492 1 x 40 MHz 1 x 5 MHz (ungepaart) TDD 18,75 Satelliten-Kommunikation Liegt weitgehend brach, daher Neuvergabe
1800 Unterband
1725 - 1730
1735,1 - 1752,5
1752,7 - 1758,1
1763,1 - 1780,5
Oberband
1820 - 1825
1830,1 - 1847,5
1847,7 - 1853,1
1858,1 - 1875,5
2 x 45 MHz 2 x 5 MHz (gepaart) FDD 37,5 GSM-Mobilfunk Zuteilung läuft zum 31. Dezember 2016 aus
FDD: Frequency Division Duplex (Sender und Empfänger verwenden verschiedene Frequenzen), TDD: Time Division Duplex (Sender und Empfänger nutzen gleiche Frequenz, wechseln sich aber ab)

Um das 1800-er Band könnte es das größte Bietergerangel geben. Aktuell nutzen E-Plus, Telefónica, Telekom und Vodafone insgesamt 70,2 MHz. Davon kommen aber nur 45 MHz unter den Hammer. 10 MHz, deren Nutzungsrechte erst 2026 auslaufen, hat Telefónica als Mitgift von E-Plus erhalten und 15 MHz mit gleicher Laufzeit hat die Telekom in petto. Um die übrigen 45 MHz, deren Laufzeit nun ausläuft, dürfen aber alle drei Betreiber rangeln. Je nach Intention und Finanzkraft der Mitbewerber kann das ganz unterschiedliche Folgen haben.

Telekom: Im ungünstigsten Fall steht die Telekom, die bisher in Ballungsgebieten eine sehr gute Abdeckung erreicht, anschließend mit nur 15 MHz 1800-er Spektrum da. Weniger als 20 MHz heisst aber: Geringere, vielleicht zu geringe Kapazitäten gemessen an der Kundenzahl, also Engpässe an Hotspots, und auf jeden Fall geringere Maximalgeschwindigkeit pro Zelle. Bisher liefert die Telekom mittels 20 MHz Spektrum maximal 150 MBit/s brutto.

Einbußen in diesem Spektrumteil bedeuten daher, dass LTE-Smartphones, USB-Sticks und Router die vertraglich in Aussicht gestellte Maximalgeschwindigkeit von 150 MBit/s im Telekom-Netz nicht erreichen können. Spannend erscheint daher die Frage, ob Kunden für ein 15-MHz-1800er Netz dieselben Preise für die schnellsten Tarife zahlen müssen, oder ob die Telekom das geschrumpfte Spektrum anders kompensieren kann. Das ginge beispielsweise durch beschleunigte Aufrüstung auf das schnellere LTE-Advanced oder durch zügigen Ausbau von 2,6-GHz-Zellen mit 20 MHz Kapazität. Auf jeden Fall wäre bei nur 15 MHz 1800-er Spektrum die LTE-Abdeckungskarte der Telekom mitsamt den Geschwindigkeitsangaben hinfällig. Und nebenbei auch alle Geschwindigkeitsmessungen, die vor der Auktion im Telekom-Netz aufgenommen worden sind.

Im für die Telekom günstigsten Fall gelingt es der Unternehmen, die Mitbewerber von den Spektrum-Töpfen fernzuhalten. Einiges spricht dafür, dass es die Telekom wie schon bei vorangegangenen Auktionen zumindest versuchen wird. Die Lage scheint sogar noch günstiger zu sein als bisher, weil ein Großteil der Auktionserlöse wieder dem Breitbandausbau zufließen soll. Weil die Telekom dabei zu den Hauptakteuren zählt, könnte es so kommen, dass zumindest ein Teil der Auktionsausgaben über Bande nach Bonn zurückrollt. Möglicherweise erleichtert dieser Aspekt der Telekom höhere Gebote. Als Sieger des Bieterwettbewerbs dürfte die Telekom mittelfristig eine weiter verbesserte Netzversorgung mit hoher Kapazität und hoher Geschwindigkeit liefern. Für Kunden könnte das auch zum Nachteil werden, wenn sie sich darin bestärkt fühlt, ihre Tarifstrategie aufrechtzuerhalten.

Vodafone: Im besten Fall übertrumpft Vodafone sowohl die Telekom als auch Telefónica. Klappt das, kann Vodafone die Versorgung seiner Ballungsgebiete kostengünstiger und schneller fortsetzen. Kunden können ein Netz erwarten, das an mehr Punkten als bisher Geschwindigkeiten über 100 MBit/s liefert. Vielleicht kann sich Vodafone dann auch leisten, 150-MBit/s-Tarife nicht nur für Geschäftskunden, sondern auch für Privatleute anzubieten.

Geht es schlecht aus, wird man davon mittelfristig nicht viel merken. Die 1800-er Frequenzen verwendet Vodafone bisher nicht für LTE und mit der übrigen Frequenzausstattung ist es ja schon jetzt gut aufgestellt (14,85 MHz im 2000-MHz-Band für UMTS, 20 MHz im 2,6-GHz-Band für LTE-Hotspots, 10 MHz für LTE-Flächendeckung, etc...). Die gefühlte Netzqualität dürfte sich kaum ändern, höhere Kapazität und Geschwindigkeiten erfordern dann aber eine Aufrüstung auf LTE-Advanced, um für anspruchsvolle Kunden mehrere Bänder für noch höhere Geschwindigkeiten zusammenfassen.

Telefónica: Das Unternehmen müht sich seit Jahren, mit einer schwächeren Abdeckung gegenüber den Platzhirschen zu bestehen. Gelingt es, den bisherigen Marktführern Spektrum im 1800-MHz-Band abzujagen, würden Kunden eindeutig davon profitieren, obschon nur verzögert.

Wenn das nicht gelingt, wäre es zumindest kein spürbarer Rückschritt, weil sowohl Telefónica als auch E-Plus in diesem Band bisher überwiegend GSM-Dienste anbieten. Für das Angebot an schnellen Datendiensten hätte Telefónica außerdem noch 34,65 MHz im 2000-MHz-Band, das derzeit überwiegend für UMTS/HSPA in Gebrauch ist. Technisch könnte es auch für LTE eingesetzt werden, wenn Kunden mit ihren Geräten nahtlos zwischen beiden Systemen, also UMTS und LTE wechseln können. Problematisch wäre freilich, dass in Deutschland bisher nur wenige solche Geräte am Markt sind, Telefónica seine Kunden also mit neuen Geräten versorgen müsste.

Welchen Ausgang soll man sich nun wünschen? Wenn alle Betreiber etwa so viel Spektrum kriegen, wie sie brauchen hat das kurzfristig den Vorteil, dass die aktuele Netzqualität für die gebräuchlichen Spektren erhalten bleibt. Nachteilig daran könnte aber sein, dass sich die drei Betreiber dann in ihren jeweiligen Marktnischen zufrieden geben und der Wettbewerb nachlässt; bei nur drei Wettbewerbern im Markt ist die Wahrscheinlichkeit dafür nicht einmal gering, Beispiele dafür gibt es in anderen Ländern. Aus Kundensicht wäre ein Spektrum-Ungleichgewicht in den wichtigen Bändern bei 900 und 1800 MHz vermutlich sogar förderlich. Hat einer der drei Protagonisten zu wenig Kapazitäten, muss er kreativ werden, um Kunden anzuziehen und hält so die beiden anderen auf Trab. (dz)