Die Folgen des E-Commerce unter der Lupe

Hintergrund: Das Internet kommt mit einer Menge VerheiĂźungen daher. Ein britisches Forschungsprojekt versucht, den Folgen des E-Commerce fĂĽr Umwelt und Gesellschaft auf die Spur zu kommen.

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Von
  • RĂĽdiger Haum
  • gms

Das Internet kommt mit einer Menge Verheißungen daher: Das Netz soll beim Energie sparen helfen und Abfall vermeiden. Jeden Bürger wird es mit allen gewünschten Informationen versorgen und auch kleinsten Firmen den Zugang zu den größten Märkten verschaffen. Das Internet, heißt es im Aktionsprogramm "Innovation und Arbeitsplätze in der Kommunikationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" der deutschen Bundesregierung, unterstützt "die nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung unserer Gesellschaft". Doch was passiert, wenn das Netz sich zukünftig auf schnöde Einkaufsorgien reduziert und lediglich den Güterkonsum weiter in die Höhe treibt? Was, wenn durch das Netz die Innenstädte veröden und niemand mehr das Haus verlässt? Antworten auf diese und ähnliche Fragen versucht ein britisches Forschungsprojekt seit Anfang des Jahres unter dem Titel "Digital Futures – E-Commerce, Society, Environment" zu geben.

Das Projekt soll die positiven und negativen Folgen des elektronischen Handels für Gesellschaft und Umwelt abschätzen und gegeneinander abwägen. Drei Regierungsministerien, acht Forschungsinstitute und 18 Großunternehmen – vom Konsumgüter-Konzern Unilever über den Ölmulti BP Amoco bis hin zum Internetdienst AOL – sind daran beteiligt. Die Denkfabrik Forum For The Future des Umweltaktivisten Jonathon Porrit leitet und koordiniert das Mammutvorhaben. "Wir glauben, dass gerade E-Commerce und die digitale Wirtschaft ein großes Potenzial haben, der Gesellschaft und der Umwelt nützlich zu sein", stellt James Wilsdon, Politikberater bei Forum For The Future, grundsätzlich klar. "Allerdings wird der ungeregelte Markt nicht automatisch in Umweltverträglichkeit und sozialer Gerechtigkeit enden. Mit unserem Projekt wollen wir Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft Handlungsanleitungen zur Politikgestaltung geben." Auch die beteiligten Wirtschaftsunternehmen heften sich im Rahmen des Projekts soziale Verantwortung ans Revers, wie etwa Shanker Trivedi, Vize-Präsident England und Irland des Computer- und Software-Konzerns Sun, versichert. Neben Geld stellen die beteiligten Firmen den Forschungsinstituten ihr Fachwissen zur Verfügung.

Eine der Sorgen der Forscher ist zum Beispiel, dass die größten Nutznießer des Internet "privilegierte Gruppen" sein werden: "Einkaufsgemeinschaften im Internet drücken zwar die Preise und sind eine gute Sache für jeden Verbraucher", erklärt Alex MacGillivray, Forschungsgruppenleiter beim Institut New Economics Foundation (NEF). "Momentan hilft das aber nur den Mittelschichten. Denn diejenigen, die von Preisvorteilen am meisten profitieren würden, sind derzeit am wenigsten online."

Welche Konsequenz hat das vermeintlich bequeme Online-Shopping für die Umwelt? Musik, Software und irgendwann auch Bücher können direkt auf den Rechner geliefert werden. Fernseher, Schuhe und Küchenmaschinen kommen als Paket an die Haustür. Der Mausklick spart demnach den Sprit und die Abgase für die individuelle Spritztour ins Einkaufszentrum. Zugleich erhöht er aber die Zahl der Lkw-Fahrten und den Verpackungsaufwand für die Anlieferung der Ware. Bei welcher Variante die Umwelt unter dem Strich besser weg kommt, ist deshalb noch keineswegs geklärt, so die britischen Forscher. An der Universität von Sussex beschäftigt sich eine Forschergruppe (Science and Policy Research Unit) mit den "Umweltkosten" durch einen vom E-Commerce geänderten Lebensstil: Was tut die Kleinfamilie, wenn sie dank Online-Shopping am Samstag nicht mehr zum Großeinkauf in die Stadt muss? Bleibt sie zu Hause oder nutzt sie die gewonnene Zeit zu gleichfalls umweltschädlichen Ausflügen im Familienwagen? Erste Antworten auf all diese Fragen hoffen die Wissenschaftler im kommenden Jahr liefern zu können. (Rüdiger Haum, gms) (jk)