Das Geschichte vom guten Computerprogramm, Teil 3

Können Computerprogramme wirklich nur technische Dinge oder könnte man sie nicht auch anders fordern? Teil 3 der Geschichte zum guten Computerprogramm gibt einige Hinweise und Ansätze, wie das gehen könnte.

vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Hans Meyer
Inhaltsverzeichnis

Können Computerprogramme wirklich nur technische Dinge oder könnte man sie nicht auch anders fordern? Teil 3 der Geschichte zum guten Computerprogramm gibt einige Hinweise und Ansätze, wie das gehen könnte.

Und die Moral von der Geschichte? Gemach – kommt noch! Jetzt möchte ich erst einmal eine Lanze brechen für die Elektriker und Formalisierer, die so schlecht wegkommen. Ihr seid diejenigen, die darüber wachen, dass in der IT Ordnung herrscht. Wer die Anfänge der Computerei kennt, weiß: Das ist auch gut so. Wir brauchen Strukturen und Formalismen in der IT. Nur sind das keine Dogmen. So werden sie aber behandelt.

Mehr Infos

Die Geschichte vom guten Computerprogramm

Wenn man das tut, gibt es schlimme Auswüchse. Dann können die Nachfolger von Franz und Fritz ihre Unfähigkeit und Dummheit leicht hinter Formalismen verstecken. Wenn sich unser Mitarbeiter nicht von den schrägen Ansichten der Elektriker und Formalisierer befreit hätte, wäre bei ABCD noch in den 90ern der PC Erfassungsgerät gewesen und die Berechnung auf den "richtigen" Rechnern geschehen, den Mainframes.

Jeder, der in der IT anfängt, sollte so lange mit Programmablaufplänen, Datenflussplänen, Struktogrammen und UML-Diagrammen gequält werden, bis er quietscht. Das ist notwendig, um gute Anwendungsentwickler auszubilden. Dann sollte aber Schluss damit sein. Ein UML-Guru in der kommerziellen Anwendungsentwicklung ist genauso wenig sinnvoll wie ein Deutschlehrer in der Autowerkstatt. Ein KFZ-Mechatroniker muss in der Lage sein, Werkstattaufträge zu verstehen, auch selbst welche verfassen können. Da braucht er aber keinen um sich, der ihn jedes Mal auf die richtige Grammatik hinweist. Ein Anwendungsentwickler mit einer guten Ausbildung braucht auch nicht ständig die Kontrolle, ob die Kästchen seiner Spezifikation die richtige Länge und Breite haben.

Mehr Infos

Der Autor

Hans Meyer arbeitete von 1974 bis 2012 in der EDV. Von 1974 bis 1988 war er Angestellter bei verschiedenen deutschen Unternehmen im Bereich Programmierung, DV-Organisation und Schulung. Von Ende der 80er bis Ende 2007 arbeitete er als selbstständiger Entwickler, Berater sowie Change- und Incident Manager bei deutschen Unternehmen der Telekommunikation. Von Anfang 2008 bis Ende 2012 war er Entwickler für Robotiksysteme für Pharmazie-Unternehmen in der Schweiz. Er ist jetzt Rentner und bildet als Dozent Fachinformatiker aus.

Genau das geschieht aber. Die Kaste der Elektriker und Formalisierer mischt sich in alle Bereiche der IT ein und wacht mit Argusaugen darĂĽber, dass ihre diktatorische Stellung ja nicht angekratzt wird. Dadurch erreicht sie, dass wir zwar ein exponenzielles Wachstum bei der Hardware, aber nicht mal ein lineares bei der Anwendungsentwicklung haben.

Ja, ich höre den Aufschrei der Elektriker und Formalisierer: "Das kann doch nicht sein, was du da behauptest! Schau dich doch mal um! Wir haben 3D-Desktops, intelligente Programmführung, Anbindung von GPS, Internet und Social Media. Wir können Spracheingabe, 3D-Bilder und intelligente Hilfesysteme."

Bei näherem Hinsehen sind das aber nur Methoden, die sich durch die Verbesserung der Hardware zwangsläufig ergeben. Ist das alles? Es ist nicht leicht zu verstehen, was ich meine. Deshalb möchte ich noch mal etwas ausschweifen.

Social Media ist eine faszinierende Erscheinung unseres Zeitalters. Ohne Social Media hätten die jungen Menschen des arabischen Frühlings keine Chance gehabt. Mit diesem mächtigen Werkzeug gelang es endlich, sich von den verhassten Diktatoren und der korrupten Herrschaftsschicht zu befreien. Welch ein Segen! Exakt das gleiche System, Social Media, ermöglichte aber die Versklavung der Gedanken. NSA ist ja nur die Spitze des Eisbergs!

Was sagen denn da die Elektriker und Formalisierer? "Was wollt ihr denn, die Programme sind klar strukturiert. Das ist doch alles perfekt." Und was sagen die Nichtelektriker und Nichtformalisierer? "Huch, ein Computer! Wie unangenehm." Was sage ich? "Deppen United! Prost, Mahlzeit!"

Wie der Computer das Verhalten von Menschen verändert, sollte das folgende Beispiel verdeutlichen: Ein LKW-Fahrer folgte seinem Navi-Gerät, bis es zur Katastrophe kam. Er stand mit seinem 30-Tonner mit Anhänger vor dem Wald, der unbefestigte Weg, auf dem er gefahren war, war zu Ende. Neben ihm war nur ein Fußballplatz. Als er dann versuchte, auf dem Fußballplatz zu wenden, wurde dieser völlig zerstört, er blieb stecken und war nur mit schwerem Gerät aus der misslichen Situation zu befreien.

Wieso um alles in der Welt ist er da hingefahren? Da waren vorher Hinweisschilder, der schmale Weg war für einen LKW schon weit vorher ungeeignet. Ein erfahrener LKW-Fahrer wäre normalerweise dort niemals entlang gefahren. Es ist faszinierend, dass ein kleines Computerprogramm einen erfahrenen Spezialisten dazu bringen kann, Dinge zu tun, die er ohne Computer niemals gemacht hätte.

Was sagen jetzt die Elektriker und Formalisierer? "Na ja, Programm- oder Datenfehler, kann ja mal passieren." Was sagen die ... Ach, lassen wir das!

Da gibt es eine Werbung von Google: Eine Frau werkelt an einem Kuchen herum, der ihr gründlich misslungen ist. Sie fordert ihr Tablet auf, ihr Bilder von Torten zu zeigen. Ihr Matschkuchen kann da nicht mithalten. Dann fragt sie nach Konditoreien in ihrer Nähe, und das Tablet zeigt eine Karte mit Konditoreien im Umkreis von 800 Metern.

Elektriker und Formalisierer geraten bei so etwas in Ekstase. Das zeigt doch, alles ist perfekt und auf dem richtigen Weg. Was will man mehr? Wir sind auf einem guten Weg. Wie ärmlich ist das denn? Ist das alles, was ihr braucht? Ich muss mal tief durchatmen.