Filmkritik "The Interview": Holzhammerhumor, Splatter, F-Register

In den USA ist die Nordkorea-Komödie "The Interview" nun doch in kleineren Kinos angelaufen. heise online hat sich den Film angesehen. Fazit: Auch Dummheiten und Garstiges müssen gesagt und gezeigt werden dürfen.

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Filmkritik "The Interview": Holzhammerhumor, Splatter, F-Register
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Inhaltsverzeichnis

Nun ist "The Interview" in den USA doch angelaufen. Nachdem die großen Kinoketten den Film nicht zeigen wollten, kam er in etwa 300 kleinere Kinos. Außerdem wird er auf Onlineplattformen in Nordamerika zur Miete angeboten. Heise online hat sich den Film angesehen. Die Erwartungen waren ausgesprochen gering und wurden erfüllt.

Jene US-Lichtspieltheater, die den Film zeigen, erfreuen sich regen Zulaufs. Viele dieser Kinobesucher betrachten ihre Anwesenheit als patriotischen Akt und als politisches Statement, auch wenn der Film in Kanada gedreht wurde. In den USA stört das aber kaum jemand. Weil der Film fast nicht veröffentlicht worden wäre, üben die Besucher die von der US-Verfassung garantierte Freiheit der Meinungsäußerung demonstrativ aus. Manche nutzen die Gelegenheit auch für eine Einheit politischer Bildung für ihre Kinder.

Die Komödie setzt auf Humor der Marke Holzhammer – und zieht dabei ausgiebig das F-Register: Fäkalausdrücke, Feuerwaffen, fleischliche Gelüste, fiese Feinde und feste Trottel. Die beiden Hauptprotagonisten sind der selbstinszenierende Moderator einer unerträglichen Talkshow (Dave Skylark, gespielt von James Franco) und sein Produzent (Aaron Rapoport, gespielt von Seth Rogen). Skylark ist eine vulgäre Rampensau, dessen Freizeitbeschäftigung aus Alkohol, Sex und Drogen besteht.

Screenshots aus "The Interview" (10 Bilder)

Die CIA-Agenten

Mit sexuellen Reizen sollen die CIA-Agenten das TV-Duo für den Attentatsplan gewinnen.
(Bild: Screenshot)

Der nicht minder vulgäre aber ein wenig intellektuellere Rapoport ist bei Skylarks Partys mit dabei, hat bei den leichten Mädchen aber offenbar weniger Erfolg. Für den finanziellen Erfolg hat er seine journalistischen Ideale aufgegeben. Nachdem das Duo zwanzig Minuten lang vorgestellt wurde, taucht die CIA auf. Auch sie tritt nicht gerade als Hort der Intelligenz in Erscheinung und engagiert das TV-Duo als Attentäter.

Weitere 20 Minuten später landen die beiden Antihelden in Nordkorea, wo sie auf böse Offiziere treffen. Kurz darauf kommt es zur ersten Begegnung mit Kim Jong-un persönlich, der ausgesprochen normal und freundlich auftritt. Er handelt als Einziger logisch, steht auf Katy Perry und hat ganz menschliche Probleme. Skylark gewinnt den Machthaber lieb.

Nach einer Stunde spritzt erstmals Blut auf kleine Kinder. Die Leibwächter des Diktators scheiden dahin, was ihn emotional aus der Bahn wirft. Im Alkoholrausch stößt er Drohungen aus – und damit auch Skylark merkt, dass Jong-un doch kein Guter ist, macht dieser eine antisemitische Bemerkung. Beim unerklärlicherweise live übertragenen TV-Interview weicht Skylark von den vorbereiteten Fragen ab und bringt den Diktator zum Weinen. Das ist sein politisches Ende.

Hinter den Kulissen des TV-Studios geht die Blutspritzerei unterdessen so richtig los. Rapoport und ein nordkoreanischer Systemerhalter beißen einander diverse Finger ab, Schießereien und Luft-Boden-Raketen folgen. Als Skylark mit einem Stalin-Panzer den Hubschrauber des Führers abschießt, hat der Film weitere zehn Minuten hinter sich.

Das TV-Duo flüchtet durch eine stillgelegte Mine, in der die CIA-Uhren wundersamerweise GPS-Empfang haben. Daher wartet am anderen Ende ein Team der Navy SEALs. Mit einem Schlauchboot gelingt über einen wunderschönen kanadischen See die Flucht aus Nordkorea. Dazu ertönt "Wind of Change" von den Scorpions.

Das Beste kommt zum Schluss: Der Nachspann. Der erste Teil orientiert sich optisch an den nordkoreanischen Propagandaplakaten, was gut gelungen ist. Ganz am Ende wird dann noch gelogen, dass sich die Balken biegen: Die Charaktere, Ereignisse und Örtlichkeiten des Films seien fiktiv, behauptet der Textbaustein, jede Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit sei "völlig zufällig und unbeabsichtigt."

Betrachtet man "The Interview" bloß als brutales Lustspiel, wäre es die knapp zwei Stunden Lebenszeit nicht wert. Doch auch ohne US-patriotisches Motiv kann man es als politisches Zeichen werten, einen Film zu sehen, den andere unterdrücken wollten – sofern man die Mitteilung der angeblichen Sony-Hacker als Drohung interpretiert.

Wesen der Meinungsfreiheit ist ja gerade, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Äußerung korrekt, ästhetisch, gelungen oder sympathisch ist. Auch Dummheiten und Garstiges müssen gesagt und gezeigt werden dürfen. (ds)