Fast alle ARD-Radiosender stellen Mittelwelle ein

Mittelwelle galt in den Kindertagen des Radios als HiTech. Heute drehen nur Nostalgiker am Regler, damit das Pfeifen und Rauschen eines MW-Senders leiser wird. Die Anstalten setzen lieber auf DAB+

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Radio
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  • dpa

Fast alle öffentlich-rechtlichen Radiosender in Deutschland haben den Empfang über Mittelwelle (MW) abgeschafft. Nachdem Südwestrundfunk, Mitteldeutscher Rundfunk, Hessischer Rundfunk, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Deutschlandradio Kultur und Radio Bremen dieses Angebot beendet haben, wird auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) von Montag an keine Sendungen mehr über MW ausstrahlen.

Der NDR hatte wie die anderen Anstalten Mittelwelle dazu genutzt, außerhalb des üblichen Programmschemas etwa Bundestagsdebatten oder Fußballspiele in voller Länge auszustrahlen. Auch der Seewetterbericht lief dort. Hörer dieser Angebote könnten nun auf Digitalradio DAB+, das Internet, die NDR Radio App oder Satellit (DVB-S) umsteigen. Vorerst weiter auf MW senden noch Westdeutscher Rundfunk und Bayerischer Rundfunk. Der Deutschlandfunk plant derweil sein MW-Angebot bis Ende 2015 einzustellen, "um die freiwerdenden Mittel in DAB+ zu investieren", wie ein Deutschlandradio-Sprecher am Montag in Köln der Deutschen Presse-Agentur dpa sagte.

Der Abschied von der Mittelwelle entspricht laut NDR einer Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF). Sie habe den ARD-Landesrundfunkanstalten die finanziellen Mittel für das moderne Digitalradio DAB+ zur Verfügung gestellt unter der Maßgabe, dass ein Konzept zum Abschalten für die Mittelwelle realisiert wird.

"Mit der Abschaltung der Mittelwelle verabschiedet sich der NDR von einer vergleichsweise teuren und ökologisch nicht mehr zeitgemäßen Technologie", heißt es in einer NDR-Mitteilung. "Unter allen Radio-Verbreitungswegen verursacht die Mittelwelle die höchsten Stromkosten und bietet dafür eine Tonqualität, die für die Mehrzahl der Hörer nicht mehr akzeptabel ist", erläuterte der NDR weiter. Die technischen Möglichkeiten der Mittelwelle sind begrenzt, ein Angebot in Stereo ist ebenso wenig möglich wie die Verbreitung programmbegleitender Dienste.

Die Mittelwelle deckt im Hörfunk den Frequenzbereich ungefähr zwischen 530 Kilohertz und 1600 Kilohertz ab. Die Technik spielte beim Aufbau des Radios in Deutschland von den 20er Jahren noch bis in die 50er eine große Rolle. Seit der Nachkriegszeit verdrängte aber die Ultrakurzwelle (UKW) beim breiten Publikum diese Technik weitgehend. Trotz des knarzigen Empfangs wurde die MW aber noch jahrzehntelang von vielen Hörern wegen ihrer großen Reichweite geschätzt. Seit dem Aufkommen des mobilen Internets und der Digitalradio-Geräte gilt die Mittelwelle als Technik von gestern.

Auch UKW wird immer wieder hinterfragt. Deutschlandradio-Intendant Willi Steul zum Beispiel hat sich darüber hinaus wiederholt für eine Abschaltung auch von UKW starkgemacht. Ursprünglich sollten schon bis zum Jahr 2010 alle Radiosender ihren Sendebetrieb auf das digitale DAB (Digital Audio Broadcasting) umgestellt haben. Nach massiven Widerständen hatte der Gesetzgeber einen festen Termin gestrichen. (axk)