Test: PC im HDMI-Stick-Format

Die Idee, einen gewöhnlichen Fernseher mit einem HDMI-Stick in einen vollwertigen PC zu verwandeln, klingt verlockend: Dank Windows 8.1 (oder auch Linux) kann er dann mehr als Smart-TVs oder Android-Sticks. Wie gut das in der Praxis klappt, zeigte der Hannspree SNNPDI1B-R8Q01 im c't-Labor .

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Von
  • Benjamin Benz
Inhaltsverzeichnis

Der Mini-PC Hanspree SNNPDI1B-R8Q01 wird per HDMI direkt an einen Fernseher angeschlossen.

Die taiwanische Firma Hanspree baut in das nur 10 cm × 3,7 cm × 0,5 cm große Gehäuse des Micro-PC SNNPDI1B-R8Q01 einen Quad-Core-Prozessor aus Intels Bay-Trail-Familie für Tablets. Der Atom Z3735F taktet nominell mit 1,33 GHz. Per Turbo Boost wären sogar bis zu 1,83 GHz drin, im c't-Labor haben wir allerdings nie dermaßen hohen Takt beobachtet.

Das Gehäuse wird unter Last zwar nur 51°C heiß, doch die Taktfrequenz fällt von 1,3 auf unter 0,1 GHz.

Bei voller Last auf allen Kernen kann von Turbo ohnehin keine Rede sein. Dann schafft es der Winzling noch nicht einmal, den Nominaltakt über längere Zeit zu halten. Bereits nach wenigen Minuten Volllast mit Prime95 drosselt er sich auf 500 MHz. Setzt man mit Furmark gleichzeitig noch die Grafikeinheit unter Dampf, sinkt die Taktfrequenz sogar unter 100 MHz. In beiden Fällen pendelt sich die primärseitige Leistungsaufnahme durch diese Schutzmaßnahme auf rund 3,8 Watt ein. Abzüglich Wandlerverlusten sowie dem Bedarf von RAM, Flash und Schnittstellen-Controllern deckt sich das in etwa mit den 2,2 Watt, die Intel als "Scenario Design Power" für den Atom Z3735F angibt.

66 MHz CPU-Takt nach längerer Volllast zeigen, wie hoffnungslos überfordert das Kühlsystem dann ist.

Mehr Wärme kann das Plastikgehäuse ohne aktive Kühlung anscheinend nicht dauerhaft abführen. Solange der PC kalt ist, waren Spitzenwerte von 5,3 (Prime95) respektive 10,3 Watt (Volllast) zu beobachten. Im Leerlauf ist der Stick-PC mit 2,1 Watt angenehm sparsam. Schaltet man WLAN und Bluetooth aus und klemmt Maus sowie Tastatur ab, sind sogar 1,4 Watt drin.

Im Cinebench erreicht der "Micro-PC" 0,24 (Single-) respektive 0,75 Punkte (Multi-Thread) und liegt damit theoretisch in etwa auf dem Niveau der Preiskampf-Netbooks mit Tablet-Prozessor. In der Praxis laufen aber bereits 720p-Videos nicht völlig ruckelfrei. Full-HD-Filmchen von Youtube stottern unerträglich. Die Leistungsaufnahme liegt dann übrigens mit 6 Watt weit über dem, was das geräuschlose Kühlsystem zuverlässig abführen kann.

Obwohl das Plastikgehäuse mit 51 °C nicht übermäßig heiß wird, zeigt die Wärmebildkamera, wie sich im Inneren die Hitze staut. Die CPU-Kerntemperatur kletterte dabei übrigens auf annähernd 90 °C.

Erweiterungsports sind bei dem HDMI-Stick-PC Mangelware.

Die Ausstattung ist mager: 2 GByte RAM mögen zum Websurfen reichen, sind aber für den Parallelbetrieb mehrerer moderner Anwendungen zu wenig. Mit installiertem Windows bleiben von den 32 GByte Flash-Speicher gerade einmal 20 für Videos, Bilder und Anwendungsprogramme frei.

Zudem ist der eMMC-Speicher beim Lesen mit 167 MByte/s zwar schneller als eine magnetische 2,5-Zoll-Festplatte, schreibt Daten aber nur mit 46 MByte/s. Nachrüsten kann man nur mit MicroSD-Karten oder externen Laufwerken.

Allerdings konkurrieren die dann mit Maus, Tastatur und anderer Peripherie um die einzige USB-2.0-Buchse – das erheblich schnellere USB 3.0 fehlt. Die einzige Micro-USB-Buchse ist für die Stromversorgung reserviert. Immerhin kann man für Maus und Tastatur auf Bluetooth 4.0 ausweichen. Ins Netz geht es nur per WLAN (802.11n), eine Ethernet-Buchse gibt es nicht – und ließe sich wiederum nur per USB nachrüsten.

Audio liefert der PC ausschließlich per HDMI an den Fernseher, einen analogen Kopfhörerausgang gibt es ebensowenig wie einen Mikrofoneingang. Wer partout ein Headset anschließen will, muss das per Bluetooth tun oder eine USB-Soundkarten nutzen.

Wer den Winzling direkt in die HDMI-Buchse rammt, muss zum Einschalten hinter den Fernseher fassen und einen winzigen Taster erfühlen.

Der winzige Power-Taster an der Seite ist nur schwer zugänglich, insbesondere wenn man den Stick direkt, also ohne das mitgelieferte 20 cm lange HDMI-Kabel, in eine rückwärtige Buchse eines Fernsehers oder Monitors gesteckt hat. Noch ärgerlicher ist, dass das vorinstallierte, fast kostenlose Freemium-Anti-Chromebook-Windows sämtliche Standby-Modi verweigert. So kann man den PC nicht einmal schlafen schicken und bei Bedarf per Tastatur wieder wecken.

Anscheinend stammt nicht nur das System-on-Chip aus einer Tablet-Plattform, sondern auch die UEFI-Firmware von InsydeH2O. Manche Windows-8-Tablets nutzen den Connected-Standby-Modus S0ix (im Microsoft-Jargon Instant Go) und nicht ACPI S3 oder S4 wie Desktop-PCs. Aber genau die bräuchte eigentlich ein PC, der hinter einen Fernseher klemmt.

Weil dem 32-Bit-UEFI das CSM fehlt, gibt es keine BIOS-Kompatibilität: Das erschwert die Installation anderer Betriebssysteme. Immerhin lässt sich Secure Boot abschalten. Vorinstalliert ist Windows 8.1 mit Bing in der 32-Bit-Version – theoretisch kann der Atom Z3735F auch 64 Bit, aber eben nicht mit einem 32-Bit-UEFI-BIOS.

Die Baugröße des 190 Euro teuren HDMI-Sticks imponiert – immerhin steckt ein Windows-8-PC drin. Insgesamt konnte uns der Winzling aber nicht überzeugen, weil er bei der wohl wichtigsten Aufgabe patzt – dem Abspielen von HD-Videos – und man zum Einschalten hinter den Fernseher turnen muss.

Mit einem leisen aktiven Kühlsystem, mehr USB-Ports und vor allem einer besser an den Einsatzzweck angepassten Firmware hätte ein solcher HDMI-Stick allerdings das Potenzial, so manche Smart-Funktion von Fernsehern auszustechen. Diese Einschätzung dürfte übrigens auch für den vermutlich baugleichen Windows-8-PC im HDMI-Stick-Format Meego Pad M1 alias Meego-T01 von Shenzhen T.D.S. Electronic Technology gelten. Beide stammen letztlich aus dem Hause Quanta, dort heißt das Produkt NH1.

Mini-PC im HDMI-Stick-Format (5 Bilder)

Der Atom-Prozessor im Hanspree SNNPDI1B-R8Q01 ist mit seinen vier Kernen schnell genug für Windows 8.1, muss sich aber drosseln, wenn es zu heiß wird.

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(bbe)