Oettinger: Europa schafft keine Google-Alternative mehr

Bei seinem Auftritt am dritten Tag der DLD-Konferenz redete EU-Digitalkommissar Günther Oettinger Tacheles: Europa sei in Sachen IT längst nicht mehr konkurrenzfähig, ein digitaler Binnenmarkt in der EU müsse her.

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DLD-Konferenz: Das Spiel ist aus

(Bild: DLD)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
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Europa hat seine Stellung in der Informationstechnologie verloren und wird es nicht schaffen, eine Alternative zu Google zu entwickeln. Umso wichtiger ist es, dass Googles Stellung in Europa reguliert wird wie dies seinerzeit mit Microsoft passierte. Mit starken Thesen wie dieser eröffnete EU-Kommissar Günther Oettinger den dritten und letzten Tag der DLD-Konferenz. "Europa ist in keiner guten Form, was seine Informationstechnologie anbelangt."

Zum letzten Mal tagte die Konferenz über Digital Life Design im Münchener HVB-Forum, einem Gebäude mit zwei Vortragsräumen und einem Kontakthof für die Smalltalks unter Venture-Kapitalisten: Das Gebäude wurde an einen Investor verkauft, der es in ein Hotel umbauen möchte. "It's only the beginning" der nächsten Phase dieser Konferenzreihe, die vor vielen Jahren als "Cool People in the Hot Desert" in Israel begann. EU-Kommissar Günther Oettinger nutzte die DLD für eine programmatische Ansage.

"Wir haben das Spiel in der IT verloren", verkündete Oettinger den Teilnehmern der DLD. Die europäische Informationstechnologie sei nicht mehr konkurrenzfähig, aber es gebe noch Firmen wie Bayer, Daimler oder Lanxess, die bei der weiter anhaltenden Digitalisierung ein gewichtiges Wort mitzureden hätten. Damit Europa auch für US-amerikanische Investoren attraktiv werde müsse ein einheitlicher digitale Markt her, dessen Umbauplan er bis zum Mai 2015 präsentieren werde.

"Wir haben 28 fragmentierte Märkte mit 28 verschiedenen Regelungen zum Datenschutz. So kann keine europäische Cloud existieren", erklärte Oettinger seinen Plan für einen "Single Digital Market". Neben dem EU-einheitlichen Datenschutz habe eine Vereinheitlichung des Copyrights oberste Priorität. Im September werde er dazu einen Entwurf vorlegen. "Ohne Copyright kann es keinen Wettbewerb, kann es keine offenen Felder für Investoren geben, die in die kontinentale Infrastruktur investieren."

Dieses einheitliche Copyright wurde von Oettinger als Ergänzung zum europäischen Breitbandausbau skizziert, der bis 2020 so weit gediehen sein müsse, das man auf einer Ebene mit Südkorea agiere. Einfache europaweite Regeln könnten den Markt erheblich ankurbeln: "Warum gehen so viele Firmen nach Dublin? Weil die Regeln zu kompliziert sind".

Eben weil Europa in der Informationstechnologie den Anschluss verpasst habe, sei die Anstrengung, ein europäisches Gegenstück zu Google zu entwickeln, vergebliche Liebesmüh. Vielmehr müsse es jetzt darum gehen, Google dazu zu bringen, Regeln für "unsere europäischen geistigen Produkte" zu akzeptieren und der EU entsprechende Angebote zu machen. Bislang sein Google nicht kompromissbereit genug, aber das historische Beispiel von Googles Monopol-Vorläufer Microsoft habe gezeigt, das sich die EU durchsetzen kann.

Große Stücke setzt Oettinger in den Breitbandausbau, bei dem er sich eindeutig zur Netzneutralität bekannte, freilich mit einer Priorisierung von Diensten auf der Seite des Kunden. Sein Beispiel: eine Familie im Hotspot-gerüsteten Auto auf Reisen. Während der Sohn online daddelt und die Tochter Bilder auf Instagram anschaut, müssten die Navigations- und Warndienste Vorrang haben, weil sie die Sicherheit der Reise gewährleisten.

Die DLD selbst zeichnete drei deutsche Firmen als beispielhafte Durchstarter aus, wobei alle drei keine typischen Startups sind. Moovel, die Daimler-Tochter mit ihren Angeboten Car2Go und MyTaxi bekam einen Editor's Choice Award, Relayr wurde für seine Sensoren-Reihe "Wunderbar" als Newcomer ausgezeichnet und der "Innovator of the Year" ging an Kreditech, das 75 Millionen Euro Wagniskapital einsammeln konnte. Die Firma wertet die Daten aus sozialen Netzwerken aus, um die Kreditwürdigkeit eines Netznutzers zu ermitteln. Damit ist man besonders in Polen, Tschechien und Russland erfolgreich – wo die Datenschutzregelungen etwas laxer sind. (axk)