Verriss des Monats: USB-Düfte

Darauf haben Technikfreunde lange gewartet: Endlich gibt es Flash-Drives mit Geruch.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Glaser

Darauf haben Technikfreunde lange gewartet: Endlich gibt es Flash-Drives mit Geruch.

Die Kunst des gepflegten Verreißens zweifelhafter Produkte ist ein wenig aus der Mode gekommen. An dieser Stelle präsentiert unser Kolumnist Peter Glaser einmal im Monat deshalb eine Rezension der etwas anderen Art: den Verriss des Monats. Vorschläge für besonders zu würdigende Produkte werden gerne per Mail entgegengenommen.

In der Zeit, bevor jeder einen Computer hatte, roch es stark. Es gab Grüner-Apfel-Shampoo und eine Weile gab es überhaupt alles auch in einer Grüner-Apfel-Variante. Die Granny-Smith-Äpfel, aus denen das Shampoo angeblich gemacht wurde, waren Granny_Smith,_Beispiel_aus_Chile.jpg:innen so makellos weiß, dass bald der Verdacht aufkam, die Äpfel würden aus dem Shampoo hergestellt. Es gab auch Melonen-Shampoo, Parfumgerüche von Patschuli und Amber, das bekanntlich aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen gewonnen wird, dazu Jasminteeduft, undsoweiter. Man war damals antikapitalistisch gesonnen und an Nähe interessiert, also Riechtum statt Reichtum.

Dann kamen die modernen Rechen- und Kommunikationsmaschinen und schoben sich dazwischen. Zwar rochen die Nerds manchmal auch noch ein bisschen. Aber als dann Anfang der Neunzigerjahre das Internet vom Himmel fiel, wurde der Sieg der Distanz offenkundig. Immer fortwährender erlaubte es die digitale Technologie, so weit voneinander entfernt miteinander in Kontakt zu treten, dass man unmöglich mehr wahrnehmen konnte, wie es am anderen Ende roch.

Jetzt gibt es USB-Sticks, die riechen. Niemand weiß, warum, aber wie bei vielen anderen Produkten ist allein schon die Tatsache, dass es sie gibt, irgendwie interessant.

Die Intimsinne Geruch und Geschmack erschließen uns die Gegenwart – und auch das Gebäude der Erinnerung – auf unnachahmliche Weise. Ein Geruch eröffnet eine Informationsdichte, die sich immer noch der technischen Beherrschbarkeit entzieht. Vorstöße wie Riechfilme im Kino, etwa der 1981 uraufgeführte Film "Polyester" von John Waters, sind Kuriosa geblieben. Waters hatte mit nummerierten Duftfleckchen bedruckte Eintrittskarten ausgeben lassen, die con den Zuschauern abgerubbelt werden musten, sobald an bestimmten Stellen im Film eine der Nummern erschien. 27 Jahre später versuchte sich 20th Century Fox mit einer "Innovation im Kinomarkt" und zeigte den Trailer zu der romantischen Komödie "27 Dresses" geruchsbegleitet mit einem "frischen und blumigen Duft im Saal, der parallel zur Bildpräsentation über die Klimaanlage in den Kinosaal gelangt und zum Ende des Trailers rasch wieder verfliegt".

Alle Ansätze, Gerüche technisch zu zähmen, sind bisher aber mehr oder minder gescheitert. Auch Duft-CD-Player und ähnliches sind nicht viel mehr als Promotion-Gags geblieben. Firmen wie das deutsche Unternehmen Aerome ("Scent is our mission"), die Duftkioske und riechende Getränkeautomaten herstellen – bei Aerome arbeitet man derzeit an einem Duft-Synthesizer –, bedienen einen flüchtigen Markt. Die Intimsinne Geruch und Geschmack gehören zu den Grals-Herausforderungen der Technik. Sogar unser mächtigstes Medium, die Sprache, mit ihrem universalen und flexiblen Reservoir an Bedeutungen und Kombinationen, stößt da schnell an seine Grenzen, wenn es darum geht, derlei klar und allgemeinverständlich zu beschreiben. Nicht ohne Grund nehmen Werbetexte für Parfums meist den vagen Charakter von Mysterien und aufwendigen Bildpoesien an. Parfumeure und Weinexperten haben Fachsprachen entwickelt, die nicht so sehr an nüchterne Beschreibungen als vielmehr an Lyrik erinnern.

Nun ist leider zu befürchten, dass sich weder Duft- noch Durstfachleute mit den USB-Duftsticks befassen werden, denn es gibt sie nur in den drei Riechrichtungen Creamsicle (Wassereis), Jelly donut (Berliner) und Cola. Es sind sozusagen die Autorückspiegelduftbäumchen unter den Speichersticks. Man sieht förmlich Menschen in Büros, die einen Augenblick gedankenverlorenen Sinnierens nutzen, um mit dem Kopf immer tiefer an den Rechner heranzuriechen und sich vom informatischen Zusatznutzen amerikanisch duftender vier Gigabytes betören zu lassen (USA und USB!). Jeder der Sticks lässt sich auch an einem Schlüsselbund befestigen, was bedeutet, dass man künftig auch duftende Schlüssel haben kann. Und schließlich lösen die kleinen Flash-Drives noch durch keine Kapazitätsgrenze eingeengte Begeisterung durch aufgedruckte, kleine Smiley-Gesichter aus. Dufte. ()