TR35: Die Erde durchleuchten

Xiaoxiang Zhu hat ein Verfahren entwickelt, um Veränderungen auf unserem Planeten so genau wie nie zuvor zu vermessen.

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Von
  • Joseph Scheppach

Xiaoxiang Zhu hat ein Verfahren entwickelt, um Veränderungen auf unserem Planeten so genau wie nie zuvor zu vermessen.

Von künstlichen Organen bis zu betankbaren Akkus: Zum zweiten Mal kürt Technology Review die innovativsten Köpfe unter 35. Die 10 Gewinner zeigen, was die Zukunft bringen wird.

Xiaoxiang Zhu ist unentschlossen – obwohl ihre Messdaten eigentlich eindeutig sind: In Las Vegas senkt sich ein Golfplatz um drei Zentimeter pro Jahr. Vielleicht ist es ja harmlos, sinniert die Forscherin vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der TU München. Es wurde einfach zu viel Grundwasser für die Bewässerung des Greens verschwendet. Was aber, wenn es im Untergrund heimlich rumort? Dann ist das benachbarte Konferenzzentrum gefährdet.

Zhu hat eine Methode entwickelt, um in Radaraufnahmen aus dem All Verformungen ab einem Millimeter pro Jahr zu erkennen. Damit hält die zierliche 29-Jährige den Weltrekord. Ihre Forschung ist allerdings mehr als abstrakte Rekordjagd. Mit fortschreitender Urbanisierung "wird die Überwachung baulicher Infrastruktur immer wichtiger", so Zhu. "Aber mit bodengebundenen GPS-Messungen ist das sehr aufwendig."

Bodensenkungen können Gebäude, Brücken, Stahlkonstruktionen, freitragende Dächer und insbesondere Staudämme gefährden. "Vor allem in Ländern, die sich schnell entwickeln, wird der geologischen Voruntersuchung oft nicht genügend Zeit eingeräumt", klagt die Forscherin aus Changsha in Zentralchina.

Um die winzigen Deformationen zu erkennen, nutzt Zhu Bilder des genauesten Radarsatelliten der Welt, des TerraSAR-X. Aus 514 Kilometern Höhe vermisst er mittels Mikrowellen die Höhen und Tiefen der Erde.

Allerdings sind die TerraSAR-X-Bilder statisch. Um dynamische Deformationen zu erfassen, werden typischerweise 20 bis 50 Bilder vom selben Gebiet aufgenommen – über mehrere Monate hinweg. Legt man im Computer alle diese Bilder exakt übereinander, lassen sich Bewegungen analysieren. Die Stapelmethode funktionierte bisher allerdings nur für wenige Bildpunkte. Denn bei vielen Pixeln überlappen sich verschiedene Objekte zu stark, um noch voneinander unterscheidbar zu sein.

Um das Problem zu umgehen, hat Zhu die Methode des Compressive Sensing erstmals für die 4D-Modellierung angepasst. Ihr Trick: Sie kombiniert die spärliche Information aus den wenigen Radaraufnahmen mit "Vorwissen". Dazu gehört etwa, dass der Satellit aus einem Winkel von 45 Grad auf die Erde schaut. Aus dieser Schrägsicht erscheint ein Haus wie auf den Boden gekippt.

Die Radar-Reflexionen gaukeln vor, dass Boden, Fassade und Dach auf gleicher Höhe liegen. Wenn man dies jedoch weiß, reichen für die Trennung dieser drei Punkte die wenigen verfügbaren Daten, um detaillierte Bewegungskarten zu berechnen. "Selbst wenn sich ein Teil einer Brücke um wenige Millimeter senkt und ein anderer leicht hebt, lässt sich das erkennen", so Zhu.

Kein Wunder, dass neben Geologen und Bau-Unternehmen auch Stadtverwaltungen weltweit an den Daten interessiert sind. Sie wollen in bewohnten Gebieten Bedrohungen rechtzeitig erkennen, die durch Senkungen entstehen können – etwa weil zu viel Öl, Gas oder Grundwasser entnommen wurde. Ob das sinkende Grundwasser auch Las Vegas absacken lässt, bleibt zwar auch mit Zhus Methode unklar. Doch immerhin sind die Stadtoberen gewarnt. Doch bislang hat niemand auf die Veröffentlichungen von Forscherin Zhu reagiert. In der Spieler-Metropole verlässt man sich offenbar lieber auf das Glück.

(bsc)