DE-CIX-Chef: "Für die Telekom war das kein einfacher Schritt"

heise Netze sprach mit Harald Summa, dem Geschäftsführer des weltgrößten Internet-Austauschknotens, an dem die Deutsche Telekom unerwartet ihre Präsenz erhöht – für Einige geht damit ein Kerzchen an, meint Summa.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 53 Kommentare lesen
Interview: DE-CIX-Chef äußert sich zu Annäherung der Telekom

(Bild: Stefan Funke / CC-BY-SA 2.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic
Inhaltsverzeichnis

Für Beobachter war es eine kaum noch erwartete Wende, als die Deutsche Telekom am gestrigen Montag bestätigte, ihre Präsenz am weltgrößten Internet-Austauschknoten deutlich erhöhen zu wollen. Das Unternehmen gibt an, durch die verkürzten Wege zu vielen kleinen deutschen Providern die Abhörsicherheit des Datenverkehrs erhöhen zu wollen. Für viele kommt diese Entscheidung unverhofft. Jahrelang hatte der Bonner Kommunikationsriese um Austauschknoten wie den DE-CIX einen großen Bogen geschlagen und fast ausschließlich auf die Transit-Strategie gesetzt.

Für viele Teilnehmer ist die Kapazitätserhöhung am DE-CIX daher verheißungsvoll: Sie erhoffen sich Direktverbindungen zu möglichst vielen Providern und dadurch kürzere Latenzen (umgangssprachlich Ping-Zeiten). Am DE-CIX sind hunderte Provider aus allen Erdteilen angeschlossen. Der Durchsatz des Drehkreuzes steigt ständig und erreicht gegenwärtig zu Spitzenzeiten fast 4 TBit/s. Jeder Provider kann dort – wenn er will – mit jedem anderen Daten ohne weitere Kosten austauschen (offenes Peering).

Die Telekom zog zumindest bisher Transit-Vereinbarungen gegenüber offenem Peering vor: Sie gewährt als einer der mächtigen Internet-Riesen (Tier-1-Provider) kleinen Providern die Durchleitung des Datenverkehrs durch ihr eigenes, weltumspannendes Netz gegen Geld. Doch auch an Austauschknoten ist offenes Peering keine Pflicht, Netzbetreiber können auch restriktive Strategien verfolgen, was die Kapazitätserhöhung der Telekom unter einen anderen Licht erscheinen lässt.

Harald Summa, Geschäftsführer des DE-CIX: Für uns sind zwei 10-GBít-Ports normal. Aber man muss auch die Seite der Telekom betrachten. Für die Telekom war das sicher kein einfacher Schritt.

(Bild: DE-CIX)

heise Netze hat Harald Summa, Geschäftsführer des DE-CIX, befragt, wie er den Sinneswandel des rosa Riesen einschätzt. Die erhöhte Anschlusskapazität – die Telekom spricht vollmundig vom 20-fachen – kann sich auf verschiedene Arten auswirken. Summa äußert sich unter anderem zu den Auswirkungen auf den internationalen Datenfluss, zur Kehrtwende und zur Peering-Strategie der Telekom.

heise Netze: Herr Summa, Sie können jetzt einen späten Erfolg feiern.

Harald Summa (schmunzelt): Weshalb?

heise Netze: Im November 2013 haben Sie die Telekom zum Verhandlungstisch geladen, jetzt endlich waren die Bonner Kollegen da. Waren Sie überrascht oder haben Sie immer schon geahnt, dass dieser Tag kommen würde?

Harald Summa: (lacht) Für einige Leute geht tatsächlich ein Kerzchen an. Aber wir müssen erstmal schauen, was daraus wird. Die Telekom richtet sich in der Liga der Tier-1-Provider ein, für die muss Peering nicht unbedingt sein. Das hier ist ein erster Schritt. Jetzt müssen wir sehen, was der Markt dazu sagt. Bisher haben die Kunden, die sich angeschlossen haben, nach einer Weile die Möglichkeiten auch ausgeschöpft.

heise Netze (im Scherzton): Die Telekom will ihre Präsenz am DE-CIX verzwanzigfachen. Das klingt zunächst nach sehr viel. Bringt das den DE-CIX etwa an den Rand seiner Kapazitäten? Müssen Sie gar zusätzliche Switche kaufen?

Harald Summa: (lacht) Bisher hatte die Telekom für IPv6-Verkehr einen 1-GBit-Port. Jetzt sind es 2 × 10 GBit. Für uns ist das normal. Aber man muss dabei auch die Seite der Telekom betrachten. Für die Telekom war das sicher kein einfacher Schritt und es ist vorstellbar, dass sie in ihren Reihen auch Gegner dieser Bewegung hat. Von daher kann man den Schritt als sehr positiv bewerten.

heise Netze: Wie schnell werden die neuen Ports geschaltet?

Harald Summa: Die Ports sind bei uns bereits provisioniert. Wann darüber definitiv Verkehr läuft, das entscheidet der Kunde.

heise Netze: Viele Nutzer beklagen seit langem Engpässe, beispielsweise beim Transit mit Level 3. Wird sich jetzt endlich etwas ändern?

Harald Summa: Level 3 hat auch nur wenig Kapazitäten am DE-CIX. Aber wir spüren zurzeit eine Bewegung gegen den Trend. Wenn Sie Vergleiche mit anderen Austauschknoten ziehen, werden Sie sehen, wir haben zuletzt deutlich mehr an Verkehr gewonnen als andere. Jetzt sind wir den 4 TBit/s nahe, der Mitbewerb ist fern davon. Wenn man bedenkt, dass manche Netzbetreiber verbreiten, Transit sei preisgünstiger zu bekommen, dürfte das eigentlich nicht sein. Das Frankfurter Drehkreuz lebt aber vom zentralistischen Modell, es sind eben sehr viele Betreiber präsent und das erhöht natürlich das Synergiepotenzial. Gerade bei Filmen oder Spielen merkt man das. Das erkennen natürlich auch Tier-1-Betreiber wie Level3. Wir wissen aber nicht, was morgen sein wird.

heise Netze: Was bedeutet im Falle der Telekom die Peering-Policy „restrictive“?

Harald Summa: Es gibt diverse Möglichkeiten der Zusammenschaltung. Manche Betreiber schränken das Peering nicht ein, dann handelt es sich um Public Peering. Restrictive heißt, die Telekom peert nicht mit Jedem, sondern prüft, welcher Betreiber sich eignet. Wenn sie Partner findet, müssen die sich bestimmten Regeln der Telekom unterwerfen.

Die Telekom verkauft auch viel Transit. Bisher unterhält sie sieben Austauschpunkte in Deutschland. Manche Kunden könnten daher interessiert sein, das Peering mit der Telekom von einem der anderen Standorte nach
Frankfurt zu verlagern, beispielsweise von Leipzig nach Frankfurt. Das wollen viele. Die Telekom möchte jedoch keine zentralistische Infrastruktur, sondern eine dezentrale, sodass sie weiterhin bestrebt sein wird, die Übergabepunkte sinnvoll auszulasten. (dz)