DE-CIX-Präsenz der Telekom: Abhörsicherheit nur ein angenehmer Nebeneffekt

Selbst Kritiker gönnten der Deutschen Telekom den Image-Gewinn, als sie erklärte ihre Kapazitäten am weltgrößten Internet-Drehkreuz für bessere Abhörsicherheit auszubauen. Aber dem Schritt liegen offenbar eher Geschäftsinteressen zugrunde.

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Internet der kurzen Wege: Für die Telekom nur ein angenehmer Nebeneffekt

(Bild: Deutsche Telekom)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic
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Die Deutsche Telekom hat einiges Aufsehen erregt als sie kürzlich ihre Präsenz am weltgrößten Internet-Austauschknoten, dem DE-CIX in Frankfurt erhöhte. Die Maßnahme, so erklärte der Netzbetreiber, verkürze die Wege zu anderen deutschen Providern und erhöhe so die Abhörsicherheit, weil die Wahrscheinlichkeit sinke, dass Daten außerhalb Europas, also unter fremde Rechtsordnung gelangen.

Für viele kam diese Entscheidung unerwartet, denn das Unternehmen hat sich jahrelang gegen ein Peering an Austauschknoten wie dem DE-CIX gesträubt. Die Telekom versteht sich als ein Internet-Schwergewicht, das den Verkehr kleinerer Provider kostenpflichtig über sein weltumspannendes Netz durchleitet (Tier-1-Provider). Dieses Transit-Geschäft hat die Telekom über Jahre ausgebaut. Hingegen suggeriert die Präsenz an einem Internet-Austauschknoten oberflächlich betrachtet eine Peering-Strategie, also Datenaustausch unter Gleichwertigen und damit die Abkehr von der Transit-Strategie. Entsprechend zeigt sich der Netzbetreiber in seinem Blog gegenüber dem Peering-Modell reserviert, aber einsichtig zum Wohle von Kundeninteressen.

Manche Nutzer verknüpften mit dem Kapazitätsausbau am DE-CIX Hoffnungen, dass der Datenverkehr flüssiger ablaufen könnte als vorher. Solche Erwartungen hat die Telekom selbst geschürt, indem sie von einer 20fachen Erhöhung der Kapazität sprach. Näher besehen stellt sich die Änderung jedoch als kleiner Hüpfer auf der Tera-Bit-Skala dar: Die Telekom erhöht ihre Präsenz von einem 1-GBit-Port auf zwei 10-GBit-Ports. Der DE-CIX führt heute aber auch schon Kunden, die mehr als einen 100-GBit-Port schalten.

Auch das hehre Hauptargument der Telekom, sie habe sich aus Gründen besserer Abhörsicherheit zu diesem Schritt entschieden, bröckelt, wenn man Branchenkenner zu dem Thema hört. Demnach sei über die erhöhte Präsenz der Telekom am DE-CIX in Branchenkreisen schon länger gemunkelt worden. Anfangs habe man sich noch gewundert, weshalb die Telekom nach so vielen Jahren Abstinenz jetzt an den Peering-Punkt kommt. Wilhelm Boeddinghaus, bis vor kurzem Vorstand des Berliner Austauschknotens BCIX und nun als Beirat aktiv, meint, dass die Abhörsicherheit nicht der wichtigste Grund ist.

Man müsse in Betracht ziehen, dass sich die Telekom auch einen neuen Vertriebskanal öffnet, weil nun am DE-CIX angeschlossene Provider das Netzwerk der Telekom direkt erreichen und Peering- und Transit-Dienste beim Bonner Konzern einkaufen können. Dass die Telekom frei mit allen Providern peeren wird, halten Branchenkenner für ausgeschlossen. Bisher hatten kleine Provider oft Probleme direkt bei der Telekom einzukaufen, da der Vertrieb der Firma auf die kleinen Kunden wenig eingestellt ist. Und lange hat die Telekom befürchtet, über eine geteilte Infrastruktur, wie es ein Peering-Punkt nunmal ist, nicht die gewohnte Qualität an die Kunden liefern zu können. Diese Bedenken scheinen nun ausgeräumt und die Telekom beschreitet neue Wege.

Gegenwärtig kaufen aber noch viele kleine Provider bei anderen Tier-1-Providern ein, Level 3 sei als Beispiel genannt. Der für Ziele in Deutschland bestimmte Verkehr läuft in so einem Fall vom kleinen Provider gegen Bezahlung zu Level 3 und wird dann von Level 3 an die Telekom durchgereicht – zum Leidwesen der Telekom jedoch ohne gegenseitige Abrechnung. Das ist unter Tier-1-Providern üblich. Aber wenn der Kunde einen direkten Vertrag mit der Telekom bekommt, kann die Telekom auch die Rechnung schreiben.

Ein schöner Nebeneffekt ist, dass solche Daten ohne Umwege über ausländische Provider laufen. Was in zum Beispiel US-amerikanischen oder britischen Netzen an Geheimdienste ausgeleitet wird, ist seit Edward Snowden zumindest grob bekannt. Die Daten in Deutschland zu halten, meint Boeddinghaus, ist eine gute Idee. Aber das darf nicht zu einer Abschottung des deutschen Internet á la "Schlandnetz" führen. "Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Die Telekom muss kaufmännisch überzeugen und darf nicht versuchen mit Druck auf die Politik Zwang auf andere Provider auszuüben".

Für die deutsche Internet-Infrastruktur sind das jedenfalls sehr gute Nachrichten, findet Boeddinghaus, denn kurze Datenlaufwege zum großen Netz der Telekom sind für alle Beteiligten, die Endkunden zuerst, eine Verbesserung. Dass der Schritt auch aus geschäftlicher Perspektive für die Telekom hilfreich ist, dürfte nicht nur die Börsianer freuen, denn jeder geschickte Schachzug auf dem umkämpften Markt der Transit-Geschäfte trägt zumindest zur Sicherung der Telekom-Position im Weltmarkt bei. Das übrige Publikum – Politik, Telekom-DSL-Kunden, die Schar der kleinen Provider, die die Telekom für sich gewinnen will – hätte es aber bestimmt nicht gestört, auch von diesen Geschäftsinteressen zu erfahren. (dz)