Werbung von Internetfirmen oft stillos und anstößig
Immer mehr Menschen finden Werbekampagnen von Internet-Firmen stillos oder anstößig.
Immer mehr Menschen finden Werbekampagnen von Internet-Firmen stillos oder anstößig. Wie der Deutsche Werberat in Bonn mitteilte, heimsten Internetfirmen, die in klassischen Medien wie Zeitung oder Fernsehen Werbung schalten, von allen werbetreibenden Branchen die meisten Proteste ein. 21 Prozent der Eingaben betrafen Web-Firmen, dies bedeutet gegenüber der ersten Hälfte des Jahres 1999 eine Verdoppelung von Werbekritik für diesen Wirtschaftszweig.
Mit den Unmutsäußerungen über die werblichen Fehltritte der Dot.com-Wirtschaft ist auch die Anzahl der Eingaben beim Deutschen Werberat insgesamt gestiegen. 401 Proteste lagen vor, das sind 31 Prozent mehr Beschwerden als im Vorjahreszeitraum. Im ersten Halbjahr 1999 hatte der Werberat über 253 Werbemaßnahmen zu entscheiden. Als Begründung für die geballte Kritik an Internet-Unternehmen führte der Werberat an, dass Webfirmen häufiger als andere Werbetreibende auf provozierende Bildmotive zurückgreifen würden, um rasch Marktbedeutung zu erlangen. Daher komme es öfter zu sexistischen oder rassistischen Entgleisungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen. Zudem sei die Werbung der Internetfirmen häufig unprofessioneller hergestellt als die der anderen Branchen.
So habe etwa ein Internet-Reiseunternehmen mit der Abbildung eines halb nackten Mannes geworben, der mit zwei leicht bekleideten Asiatinnen im Bett liegt. Der Werbetext dazu lautete: "Manchmal bereuen wir, dass wir so günstige Flüge vermitteln. Sie sagen uns, was Sie zahlen wollen. Wir besorgen's Ihnen". Hier handele es sich um eine die Würde der Menschen verletztende Darstellung, stellte die Schiedsstelle fest.
Der Deutsche Werberat ist eine Institution der werbenden Wirtschaft. Zum 13-köpfige Gremium gehören Vertreter aus der Wirtschaft, aus Werbeagenturen und aus "werbungdurchführenden Medien". Der Werberat arbeitet nach dem System eines Schiedsrichters. Stimmt er mit der zu einer Werbung geäußerten Kritik überein, erhält das verantwortliche Unternehmen eine Mitteilung. Wer seine Werbung trotz der Beanstandung durch den Werberat nicht zurückzieht oder korrigiert, erhält eine öffentliche Rüge. 1999 gaben 93 Prozent der Unternehmen der Beanstandung durch den Werberat nach.
In 100 der 401 kritisierten Werbekampagnen konnte der Werberat die Kritik nicht bestätigen. So warb etwa ein Elektrokonzern für seinen Kundenservice im Internet mit dem Bild eines bärtigen Mannes, der Kopfhörer und Brille trägt. Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, die dargestellte Person erinnere an das Foto von NS-Verbrecher Adolf Eichmann, das aus Anlass des Eichmann-Prozesses Anfang der sechziger Jahre um die Welt ging. Der Werberat widersprach dieser Auffassung. Das Bild sei mit der Aufnahme aus dem Gerichtssaal nicht in Zusammenhang zu bringen, so die Begründung.
Im Falle einer sozialen Einrichtung allerdings teilte der Werberat die Kritik und übermittelte sie an das Unternehmen. Ein Bürger protestierte gegen die Spendenwerbung der Sozialeinrichtung, die mit dem Text warb: "Das Alter nimmt dir deine Zähne, dein Gedächtnis, deine Fähigkeiten. Nur eines solltest du dir nicht nehmen lassen, das Gefühl, ein Mensch zu sein." Diese Werbung diskriminiere ältere Menschen, so der Protest. Unter den anstößigen Werbemaßnahmen war auch die umstrittene Plakatwerbung des Musiksenders Viva, auf dem ein Mädchen in anzüglicher Pose den Betrachter auffordert: "Kauf mich". Nach zahlreichen Protesten hatte der Sender das Plakat zurückgezogen. (mbb)