Hintergrund: Buchpreisbindung im Internet auf dem Prüfstand

Die EU-Kommission nimmt sich des Streits um die Buchpreisbindung im Internet an. Der Verdacht: Die Vereinbarung zwischen Buch-Branche und Libro könnte wettbwerbswidrig sein.

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Von
  • Christian Rabanus

Der Streit um die Umgehung der Buchpreisbindung durch den Online-Buch-Shop Lion.cc, einem Tochterunternehmen von des österreichischen Medienkonzerns Libro, nahm gestern eine unerwartete Wendung: Die Europäische Kommission wurde von sich aus tätig. Gestern hat sie "Nachprüfungen" bei der Verlagsgruppe Bertelsmann, beim Aufbau-Verlag, bei den Grossisten Koch, Neff & Oetinger & co. (KNO) und Koehlere & Volckmar (K&V), beim Sitz des Börsenverein des deutschen Buchhandels sowie bei der Libro-Zentrale in Guntramsdorf bei Wien durchgeführt.

Der Streit entzündete sich nach dem Wegfall der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung daran, dass Lion.cc nach Internet-Bestellungen von Kunden aus Deutschland Bücher aus dem Lager in Guntramsdorf unter dem vom Verlag vorgegebenen Preis ausliefern wollte. Zwar hatten Deutschland und Österreich die Buchpreisbindung durch nationale Gesetze gesichert, allerdings haben diese Gesetze nur Gültigkeit für den inländischen Handel. Der Buchverkauf über Staatsgrenzen hinweg ist von den neuen Regelungen zur Buchpreisbindung nicht erfasst – es sei denn, es handelt sich um einen Reimport zum ausschließlichen Umgehen der Buchpreisbindung.

Der deutsche Buchhandel, deutsche Verleger und Auslieferer waren der Ansicht, dass Lion.cc genau dies tue und boykottierten deshalb sowohl den österreichischen Buchversand als auch die deutschen Filialen von Lions Mutterkonzern Libro. Mit wechselndem Erfolg versuchte Libro daraufhin, Verlage und Auslieferer mit einstweiligen Verfügungen zu zwingen, wenigsten die deutschen Libro-Filialen zu beliefern. Aber offensichtlich sah sich der anfangs sehr siegesgewisse österreichischen Konzern doch derart unter Druck, dass er das Gespräch mit der deutschen Buchwirtschaft suchte. Nach Gesprächen zwischen Libro und der Verlagsgruppe Bertelsmann, die auch im Namen der anderen Verleger agierte, verkündete Libro am 28. Juli das Ende der Rabatte für deutsche Kunden bei grenzüberschreitenden Verkäufen über das Internet. Lion.cc werde die Bücher wieder zu den von den Verlagen festgelegten Preisen anbieten und alle anhängigen Anträge bei Gericht zurückziehen. Im Gegenzug beendeten die deutschen Verlag und Auslieferer ihren Boykott und kündigten an, Libro und seine Filialen wieder zu beliefern.

Die Nachprüfungen der EU-Kommission dienten der Sicherstellung von Beweismitteln. Sie will nun untersuchen, ob die Boykott-Absprachen der Verleger und Grossisten mit dem Wettbewerbsrecht in Einklang zu bringen sind. Damit will die Kommission es aber nicht bewenden lassen: Außerdem will sie sicherstellen, dass die Übereinkunft zwischen Libro und den deutschen Verlegern nicht ihrerseits wieder eine Wettbewerbsbeschränkung darstellt.

André Rettberg, Vorstandsvorsitzender von Libro, begrüßte die Überprüfungen der EU-Kommission: "Die Gerichte und die Wettbewerbsbehörden werden nun aktiv, wie das von allen Seiten gefordert worden ist. Dass auch die Libro-Zentrale in Guntramsdorf bei Wien untersucht wurde, ist ein Zeichen, wie unparteiisch und korrekt die Kommission vorgeht." Die Bertelsmann-Verlagsgruppe wollte die Überprüfung nicht bewerten, man sei dem Auskunftsersuchen der Wettbewerbshüter aber gerne nachgekommen. Wann eine Auswertung der Überprüfung vorliegen werde, sein noch nicht abzusehen, teilte Heike Wamser c't mit. (chr)