EU eröffnet erstmals Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft

Die EU-Kommission verdächtigt Microsoft, seine marktbeherrschende Stellung bei PC-Betriebssystemen missbraucht zu haben, um auch bei Server-Software zu dominieren.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die EU-Kommission hat am heutigen Donnerstag in Brüssel ein förmliches Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft eröffnet. Der Konzern werde verdächtigt, seine marktbeherrschende Stellung bei der Software für PC-Betriebssysteme missbraucht zu haben, um auch bei Server-Software zu dominieren, sagte eine Sprecherin des obersten Wettbewerbshüters der EU, Mario Monti.

Microsoft habe nach Marktuntersuchungen bei PC-Betriebssystemen mit einem Marktanteil von rund 95 Prozent eine Stellung als Quasi-Monopolist. Microsoft versuche nun, auf dem Markt für größere Unternehmensrechner Fuß zu fassen. Der Kommission liegt nach eigenen Angaben eine Wettbewerbs- Beschwerde des US-Software-Unternehmens Sun Microsystems vom Dezember 1998 vor. Sun habe dabei auch beklagt, Microsoft sei bei der Lizenzvergabe diskriminierend vorgegangen und habe grundsätzliche Informationen über das Windows-Betriebssystem verweigert.

In der Erklärung der Kommission zur Eröffnung des Verfahrens heißt es, die meisten PCs seien heutzutage über Server in Netzwerken miteinander verbunden. Wörtlich führt die Kommission aus:

"Die Interoperabilität bildet die Grundlage der Netzwerk-Informatik. Die Interoperabilität ist jedoch nur dann gegeben, wenn die auf dem Server beziehungsweise auf dem PC installierten Betriebssysteme (...) miteinander kommunizieren können. Damit die Wettbewerber von Microsoft Server-Betriebssysteme entwickeln können, die mit der vorherrschenden Windows-Software für PCs kommunizieren können, müssen die Interface-Informationen, das heißt technische Informationen und sogar bestimmte Teile des Windows-Quellcodes, bekannt sein. Ohne interoperable Software und auf Grund der überwältigenden Dominanz von Microsoft auf dem Markt für PC-Betriebssysteme müssen die mit Windows-Betriebssystemen ausgerüsteten Computer de facto Windows-Server-Software verwenden, wenn sie eine vollkommene Interoperabilität erreichen wollen. In der Branche wird dieses Phänomen als 'the client dragging the server' beschrieben: Der PC des Kunden bestimmt das Betriebssystem des Servers."

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass "Microsoft der Verpflichtung zur Offenlegung ausreichender Interface-Informationen über das PC-Betriebssystem nicht nachgekommen ist". Microsoft habe Informationen an Wettbewerber nur nach Gutdünken und auf diskriminierende Weise weitergegeben beziehungsweise sich geweigert, Wettbewerbern Interface-Informationen zur Verfügung zu stellen. Bei den Untersuchungen geht es erst einmal um die Betriebssysteme Windows 95, 98 und NT 4. Allerdings untersuchen die EU-Wettbewerbshüter seit Februar bereits, ob die Bündelung von verschiedenen Varianten des neuen Betriebssystems Windows 2000 im Gegensatz zu den Wettbewerbsregeln der EU stehen könnte – dies hat aber noch nicht zur Eröffnung eines förmlichen Verfahrens geführt. "Im Kern geht um den gleichen Vorwurf", sagte aber ein Sprecher von Monti.

Die Kommission eröffnete mit diesem Schritt erstmals ein förmliches Wettbewerbsverfahren gegen den US-Konzern. Allerdings unterscheide sich dieses Verfahren vom Kartellprozess gegen Microsoft in den USA: Im dortigen Prozess gehe es darum, dass Microsoft seine beherrschende Stellung bei PC-Betriebssystemen durch wettbewerbswidrige Maßnahmen zementieren wolle. Das nun eingeleitete Verfahren der EU behandle dagegen die Ausdehnung der Microsoft-Monopolstellung auf den Server-Bereich, erklärte die EU-Kommission. (jk)