Corel mit unsichtbarer Geheimwerbung
Das kanadische Softwarehaus Corel bietet auf seiner Webseite Gratis-Software mit Reklame-Parasiten zum Download.
Das kanadische Softwarehaus Corel bietet auf seiner Webseite Gratis-Software mit Reklame-Parasiten zum Download. Das Unternehmen verbreitet mit dem 71 MByte groĂźen Programmpaket Corel Presentations 9 - ESD-Version den Reklameroboter TimeSink der Firma Conducent.
Der TimeSink-Roboter lädt auf Anwenderkosten Werbebanner aus dem Internet herunter und sendet bei Gelegenheit Rückmeldungen übers Internet an spezielle Anzeigenserver – siehe dazu auch Ausgabe 16/2000 der c't (seit dem 31. Juli im Handel). Corel setzt damit seine öffentliche Ankündigung vom April in die Tat um, mit Conducents Hilfe Werbe-Einnahmen zu erwirtschaften. Allerdings las sich die Erklärung, als sie noch aktuell war, etwas anders: Damals wollte das Softwarehaus 10 Millionen anzeigenfinanzierte, englischsprachige OEM-Kopien seiner WordPerfect Suite 8 als Dreingabe zu Komplett-PCs unters Volk bringen. Laut Pressesprecherin Gertrud Jeewanjee hatten die Kanadier damit ausschließlich den amerikanischen Markt im Visier. Außerdem sollte der Anwender den Schmarotzer jederzeit loswerden können, indem er das OEM-Programm gegen Bezahlung zum kommerziellen Produkt aufrüstet. Seit der Ankündigung ist es still geworden um die Werbepläne der Softwareschmiede; mittlerweile muss man die Meldung mühevoll in Corels Archiven ausgraben, will man überhaupt noch etwas über das Projekt erfahren.
Vor dem jetzt angebotenen 71-MByte-Download muss man sich zwar mit der umfangreichen Lizenzvereinbarung einverstanden erklären, von Werbung ist da aber nicht einmal in Andeutungen die Rede. Erst nach dem Monster-Download taucht bei der Installation der Hinweis im Kleingedruckten auf, Corel werde Statistiken über den Gebrauch des "Unlimited Trial Setups" führen und außerdem Hilfsmittel einsetzen, um Anzeigen zu präsentieren. Zu Möglichkeiten, die Werbungsmaschinerie außer Kraft zu setzen, findet sich keine Silbe in Corels Hilfetexten oder Releasenotes.
Die Überprüfung des trojanisch-kanadischen Pferds brachte einen einzigen Trost: Corel Presentations konnte zwar nachweislich einen TimeSink-Roboter auf unserem Testrechner installieren, im Gegensatz zum eigentlichen Präsentationsprogramm war dieser jedoch erstaunlicherweise nicht funktionsfähig – damit bleibt die insgeheim vorgesehene Werbung auch auf Dauer unsichtbar. (hps)