Computerspionage bei der "taz"

In der Redaktion der linksalternativen "tageszeitung" (taz) in Berlin-Kreuzberg soll ausgerechnet ein Teamkollege Computereingaben mit Hilfe eines unauffälligen USB-Tastaturloggers heimlich abgefischt haben.

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USB-Keylogger

USB-Keylogger mit integriertem Speicher sind etwa im Online-Versandhandel frei erhältlich.

(Bild: storebird)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Schmitz

Die Berliner taz-Redaktion ist Schauplatz eines handfesten Medienskandals – das berichten übereinstimmend die Website zur Fernsehsendung "ZAPP" beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) und die gestrige Online-Ausgabe der "Welt", nachdem bei "Newsroom.de" bereits kurz zuvor eine (in Teilen anscheinend unzutreffende) Darstellung der Ereignisse zu lesen war.

Ein typischer USB-Keylogger, der rein lokal arbeitet, enthält internen Speicher zum Ablegen der mitgeschnittenen Tastatureingaben. Es gibt auch Varianten mit WLAN-Anbindung.

(Bild: Keelog)

Demnach hat die Chefredakteurin Ines Pohl bereits am vergangenen Mittwochnachmittag ihre Mitarbeiter darüber informiert, dass Computer der Redaktion offenbar ausspioniert worden sind. An einem der Rechner fand man einen USB-Keylogger, der dort unbefugt und ohne Wissen von Nutzer und Chefredaktion angebracht worden war. Ein solcher Keylogger wird zwischen PC-Tastatur und USB-Port des Rechners eingeschleift. Er arbeitet autonom ohne Softwareunterstützung, weshalb er von Sicherheitssoftware auf dem PC nicht entdeckt werden kann, und speichert alle Tastatureingaben an diesem Rechner. Dazu können Passwörter, Kontaktdaten und andere sensible Daten gehören. Geräte dieser Art sind etwa im Online-Handel für unter 100 Euro erhältlich. Ihr unbefugter Einsatz ist nach deutschem Recht als Ausspähen von Daten gemäß § 202a StGB strafbar und wird mit Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren geahndet.

Wie NDR und "Die Welt" berichten, steht ausgerechnet ein Teamkollege unter Verdacht, für die Spionageaktion verantwortlich zu sein: Es handelt sich um den investigativen Spezialisten für Medienskandale Sebastian H. IT-Mitarbeiter der taz-Redaktion sollen ihn beim Ausspähen erwischt haben. Wie es heißt, waren Daten mehrerer Mitarbeiter von der Spionage betroffen: Es geht um aktuelle und ehemalige Redakteure, außerdem um Ressortleiter, aber auch um eine Redaktionsvolontärin und eine Praktikantin. H. selbst hat gegenüber der "taz"-Chefredaktion jedoch jede Schuld von sich gewiesen. Bei der "taz" hat er nun zunächst Hausverbot; zur Klärung der Vorwürfe will man dort noch ein Gespräch mit ihm führen. Den berichtenden Medien gegenüber wollte H. bislang keinen Kommentar zur Sache abgeben.

Sebastian H. ist in der Vergangenheit dafür bekannt geworden, dass er bei seinen Recherchen mit umstrittenen und oft grenzwertigen Mitteln arbeitete. Erst in der vergangenen Woche hatte er unter der Headline "SZ-Leaks: Schleichwerbung für Steuerhinterziehung" in seinem Blog spektakuläre Vorwürfe an die "Süddeutsche Zeitung" gerichtet. Als Belege nutzte er dabei unter anderem heimlich mitgeschnittene Gespräche, die er mit Journalisten des Blattes geführt hatte. Ähnlich war er bereits bei einer Aufsehen erregenden Undercover-Reportage vorgegangen, durch die er 2011 einem breiten Fernsehpublikum bekannt wurde: Damals machte er als vermeintlicher PR-Agent bei Anzeigenabteilungen großer Medienhäuser mehr oder minder unverhohlen lukrative Schleichwerbungs-Angebote, deren Verwirklichung Pressekodex und geltendem Recht widersprochen hätten. Einige Verlage wären darauf eingegangen. Das alles hielt H. mit versteckter Kamera fest. Seine Vorgehensweisen haben immer wieder für Diskussionen über Medienethik gesorgt.

(psz)