Besuch beim DLR und der ESA: In Köln-Porz fängt der Weltraum an

Unweit des Flughafens Köln/Bonn hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt seine Basis. Wie dort in verschiedenen Einrichtungen die nächsten Schritte der Menschheit ins All vorbereitet werden, haben wir uns zeigen lassen.

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Inhaltsverzeichnis

Wenn man die volle Kölner Innenstadt hinter sich lässt und abwechselnd Felder und Dörfer am Zugfenster vorbeiziehen, vergisst man leicht, dass man auf dem Weg zu einem Zentrum der Raumfahrt in Deutschland unterwegs ist. Kollege Peter König von der Make und ich fahren zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem DLR, beziehungsweise zum Astronautenzentrum der ESA auf dem gleichen Gelände. Dort erwartet uns Alexander Gerst zum Interview, der dritte Deutsche auf der Internationalen Raumstation ISS. Im Laufe des Tages werden wir dann aber lernen, dass hier – nur unweit des Flughafens Köln/Bonn – tatsächlich schon der Weltraum anfängt.

Juri Gagarin vor dem Eingang des EAC

(Bild: c't)

Nach dem Gespräch mit Alexander Gerst – das in zwei Teilen auf ct.de und in der aktuellen Make erschien – nutzen wir die Zeit auf dem Gelände voller Forscher. Uns interessieren vor allem jene Einrichtungen, die mit der Raumfahrt zu tun haben, aber angesiedelt ist hier noch so viel mehr. Es geht um Angewandte und Grundlagenforschung, nicht nur in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, sondern auch noch Energie und Verkehr. Triebwerksteile werden ebenso analysiert, wie weit entfernte Sonden gesteuert. Denn sollte sich – wie erhofft – die ESA-Sonde Philae bald von ihrem Kometen zurückmelden, dann bekommt sie ihre Befehle wieder aus Köln.

Die ESA und das DLR in Köln (17 Bilder)

Den Eingang des ESA-Astronautenzentrums zieren jede Menge Missionsembleme
(Bild: c't)

Sein Anfang nimmt jedoch alles nicht in den Kommandozentralen, sondern im sogenannten School Lab des DLR. Hier sollen Schüler mit aktueller Forschung vertraut gemacht und dafür begeistert werden. Wenn sie Experimente durchführen, so die Hoffnung, ist vielleicht auch der ein oder andere Raumfahrer von morgen dabei. Dafür können sie schon einmal einen Rover auf einem kleinen Mars-Modell fernsteuern, inklusive minutenlanger Zeitverzögerung. Man dürfe nicht immer nur klagen, dass der wissenschaftliche Nachwuchs fehle, man könne ja auch selbst was dagegen tun, meint DLR-Sprecher Winand. Deswegen könnten Schulklassen das Angebot buchen und werden dann an den Versuchsstationen betreut. Derartige Einrichtungen gibt es allein vom DLR ein Dutzend mal in Deutschland, andere Institutionen bieten Ähnliches.

Die Zentrifuge im Envihab in Aktion

(Bild: DLR, CC BY 3.0 )

Der jüngste Stolz des DLR ist aber jedoch das sogenannte Envihab. Das erst vor einem Jahr bezogene Gebäude vereinigt verschiedene Labore für medizinische und physiologische Forschung, nicht nur im Zusammenhang mit der Raumfahrt. Herzstück und auch in der Mitte angeordnet ist eine Zentrifuge, auf der Testpersonen im Kreis beschleunigt werden können. Getestet wird etwa, ob die dabei erzeugte künstliche Schwerkraft einmal in Raumfahrzeugen die negativen Auswirkungen der Schwerelosigkeit beenden könnte. In langen Versuchsreihen können dazu Probanden beschleunigt werden und wirklich sind einige nach einer Weile überzeugt, sie würden auf festem Boden stehen, während sie doch im Kreis rasen.

Außer der Zentrifuge gibt es auch eine Druckkammer, in der komplexe und langanhaltende Studien in Verhältnissen durchgeführt werden können, wie sie beispielsweise in Flugzeugen, oder in großen Höhen herrschen. Dazu können Testpersonen quasi einziehen, inklusive einer druckangeglichenen Dusche plus Toilette. Langzeitstudien laufen auch im modernen Schlaflabor gleich nebenan. Hier sollen demnächst Probanden zwei Monate lang ausschließlich liegen, um Auswirkungen der Bewegungslosigkeit zu erforschen. Ihre Körper verändern sich dabei in ähnlicher Weise wie in einer schwerelosen Raumstation. Bei dem Langzeitversuch dürfen die Teilnehmer nicht einmal kurz aufstehen, und werden sogar in ihrer leicht kopflastigen Lage geduscht.

Das Envihab-Gebäude

(Bild: DLR, CC BY 3.0)

Für die bemannte Raumfahrt ist in Europa die ESA zuständig und hat sie einmal ihre Raumfahrer gefunden, wird das ESA-Astronautenzentrum (EAC) auf dem DLR-Gelände deren Basis. Hier erzählt uns Alexander Gerst von seiner Zeit auf der Internationalen Raumstation und wie er es da hoch geschafft hat. Eine der wichtigsten Stationen auf diesem Weg lag hier im EAC, wo die Raumfahrer für ihre Arbeit im ESA-Modul Columbus in der ISS und mit der Transport-Kapsel ATV geschult werden und wurden. Dazu sind in einer großen Halle zwei maßstabsgetreue Modelle von Columbus und eins des Automated Transfer Vehicle (ATV) aufgebaut.

Die ESA-Raumfahrer proben in Köln ihren Aufenthalt im All. An Bord der Raumstation sind sie quasi die verlängerten Arme der Wissenschaftler auf der Erde und bedienen deren Experimente. Wenn dabei mehr zu tun ist, als einen Schalter zu betätigen, wird das vorher im Astronautenzentrum durchgespielt. Dazu kommen dann schon einmal die Forscher selbst und erklären, worum es bei dem Experiment geht und worauf Wert gelegt werden muss. Astronauten wie Alexander Gerst sollen dabei nicht nur lernen, wie sie den Versuch durchführen sollen, sondern ihn möglichst verstehen. Nur dann können sie auf eventuelle Komplikationen oder sogar überraschende Ergebnisse direkt reagieren.

Alexander Gerst beim Training im riesigen Wasserbecken des EAC

(Bild: NASA)

Wenige Meter neben der großen Trainingshalle liegt das riesige Wasserbecken, in dem das Arbeiten in der Schwerelosigkeit trainiert wird. Es ist zehn Meter tief, so dass hier ganze ISS-Module abgesenkt werden können. Unter Anleitung wird in der Neutral Buoyancy Facility die Arbeit im Raumanzug trainiert. Aber auch wenn das ganze Areal quasi als Heimatbasis für Europas Astronauten dient, müssen alle anderen ISS-Raumfahrer genauso hier durch. Wie die ESA-Raumfahrer lernen sie hier Columbus und das ATV kennen. Analog müssen Europas Astronauten in Russland und den USA trainieren, um sich dann oben im Rest der Raumstation zurechtzufinden.

Ganz am Ende unseres Besuchs verlassen wir dann aber doch noch einmal den für die Raumfahrt reservierten Bereich. Als wir auf 3D-Drucker zu sprechen kommen, wird uns ein Exemplar versprochen, das alles, was wir kennen alt aussehen lässt. In den Werkstätten des Systemhauses Technik, das die DLR-Institute bei Entwicklung und Fertigung unterstützt, zeigt uns der Leiter Markus Boje zwei additive Fertigungsmaschinen für Metall – nur im Volksmund 3D-Drucker genannt. Mit Rapid Prototyping können hier für Versuche direkt Modelle gefertigt werden, in einer beeindruckenden Genauigkeit und Detailfülle.

Die beiden Maschinen sind jeweils rund 500.000 Euro wert und kommen mit verschiedenen Metallen klar. Dabei ergeben sich aber auch bestimmte Schwierigkeiten. So müssen stabilisierende Bereiche, die nach dem Drucken von Kunststoff einfach weggeschwemmt werden können, zeitaufwändig herausgebrochen werden. Trotzdem entstehen hier Geräte und Einzelteile, die den Produkten aus handelsüblichen Druckern um Jahre voraus sind. In gewisser Weise wird hier die Produktion der Zukunft getestet. (mho)