Content Marketing Conference: "Native Advertising ist keine Schleichwerbung"

Da die Nutzer Werbebanner kaum noch wahrnehmen, setzt die Werbebranche zunehmend auf "Content Marketing" und eingebettete Werbung. Auf einer Konferenz in Köln lobten Online-Werber die Klickerfolge der neuen Werbeformen und eigene Qualitätsansprüche.

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Content Marketing Conference: "Native Advertising ist keine Schleichwerbung"

Beispiel für eine Marketing-Kampagne: US-Präsident Barack Obama grimassiert für Buzzfeed.

(Bild: Buzzfeed)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

"Wir arbeiten in einer furchtbar innovationslosen Branche", sagte Jürgen Schmidt, Gründer des Wiener Online-Werbe-Anbieters Contented Technologies auf der Content Marketing Conference in Köln. So habe die Werbebranche immer noch keinen Weg gefunden, die mobilen Inhalte ausreichend zu monetarisieren. Unterdessen sänken die Clickraten auf Banner immer weiter.

Auch Techniken wie das seit Jahren heiß gehandelte "Real Time Advertising", bei dem Werbeplätze in Millisekunden gehandelt werden, hätten keine Trendwende gebracht. Zwar sei es über diese Plattformen möglich, billig Traffic einzukaufen. Allerdings verließen 80 Prozent der Nutzer eine geklickte Werbeseite sofort wieder. "Wollen wir Traffic erzeugen oder Produkte verkaufen?", fasste Schmidt das Problem zusammen.

Suchmaschinenwerbung wie bei Google zeige zwar sehr gute Erfolge, eine passende Zielgruppe passgenau zu bedienen – das Volumen sei aber viel zu niedrig. So gebe es pro Monat nur 300 Suchanfragen aus Wien zur Elektromobilität – eine viel zu geringe Zielgruppe für Werbekunden. "Beim Suchmaschinenmarketing lassen sich keine Bedürfnisse produzieren", ergänzte Schmidt. Werber suchten jedoch nach Zielgruppen, die noch gar nicht wüssten, dass sie sich für ein Produkt interessierten.

Der Leser wird über scheinbar neutrale Artikel zur eigentlichen Werbung geleitet.

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

Die Lösung der Wiener Spezialisten: Sie platzieren in Nachrichtenportalen gezielt Artikel zu bestimmten Themen, die die Nutzer auf die Werbung einstimmen sollen. Um für ein Auto mit Elektroantrieb zu werben, produzierte die Werbeagentur acht verschiedene Artikel mit unterschiedlichen "Teasern", die auf den Startseiten unterschiedlicher Medien angezeigt wurden. Ein Klick auf die gekennzeichnete Werbung führte auf eine "Microsite" im Design des Nachrichtenportals, auf der der angekündigte Artikel zu finden war samt einem Werbebanner und einer interaktiven Slideshow des Werbekunden. Ergebnis: Eine mit über 4 Prozent überdurchschnittlich hohe Klickrate und deutlich mehr Kundenkontakte als bei einer normalen Onlinewerbekampagne.

Um den Leser tatsächlich zur Werbung zu locken, müssten die Teaser-Artikel neutral geschrieben sein. So seien in den Beiträgen auch Produkte von Konkurrenten genannt worden. Statt diese Artikel von Billig-Anbietern produzieren zu lassen, setzen die Werber auf eigene Redaktionen, die die Inhalte recherchieren, auf die Bedürfnisse der Werbekunden maßschneidern und die für den Leser dennoch einen Nutzwert bieten sollen.

Als großes Vorbild für die Branche gilt US-Anbieter Buzzfeed, der Artikel und Werbekampagnen aus einer Hand anbietet. In Köln erläuterte der für den europäischen Markt zuständige Manager Will Hayward, wie sein Unternehmen aktuell ausgerichtet ist. Buzzfeed habe als Portal für gelangweilte Büroarbeiter begonnen, sich aber über die Jahre weiterentwickelt. So hat das Unternehmen in den USA inzwischen mehrere Journalisten engagiert, die auch über ernste Themen wie die Ebola-Krise in Liberia berichten.

Über "Real Time Advertising" wird der Traffic billiger eingekauft, doch die meisten Leser schließen Werbeseiten sofort wieder. Die "Bounce rate" steigt über 80 Prozent.

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

Traffic-Bringer bleibt aber nach wie vor das Seichte: So wurde der Artikel über ein Kleid, das angeblich für unterschiedliche Menschen entweder weiß-gold oder blau-schwarz erscheint, mittlerweile 38 Millionen Mal angeklickt. Von solchen Klickzahlen können klassische Medien nur träumen. So konnte der britische Guardian mit seinem Exklusiv-Artikel über Whistleblower Edward Snowden knapp vier Millionen Views erreichen.

Diese Popularität setzt Buzzfeed direkt in Marketing-Kampagnen für Werbekunden um. So produzierte das Unternehmen kürzlich einen Spot mit Barack Obama, der für seine Krankenversicherungs-Initiative healthcare.gov werben wollte. Das Video zeigt den US-Präsidenten mit Selfie-Stick, beim Fantasie-Basketball und beim Grimassieren vor einem Spiegel im Weißen Haus. Das Video erntete bisher über 4 Millionen Likes auf Facebook; die Buzzfeed-Server waren von dem Ansturm kurze Zeit lahmgelegt. Demnächst will das US-Unternehmen eine Werbeabteilung in Deutschland aufbauen.

Auch andere wollen sich an dem Markt beteiligen. So integriert Yahoo seine Content-Angebote mit der aufgekauften Micro-Blogging-Plattform Tumblr. Dabei sei die Trennung zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten essentiell, betonte Yahoo-Sprecher Steffen Hopf in Köln: "Native Advertising ist keine Schleichwerbung – also muss sie als Werbung gekennzeichnet werden." Das Zugeständnis bereitet der Branche allerdings wenig Kopfzerbrechen – die Zielgruppe ist durch Angebote wie Buzzfeed bereits an gesponserte Inhalte gewöhnt.

Auch die klassischen Verlage wollen sich am Geschäft beteiligen und betonen ihre Kompetenz darin, Inhalte für den Leser zu produzieren. "Content ist kein Schüttgut", sagte Christian Herp, Geschäftsführer von iq digital media, einem Gemeinschaftsunternehmen mehrerer deutscher Zeitungsverlage. Auch diese Verlage haben "Serviceredaktionen" im Angebot, die Inhalte im Auftrag von Werbekunden produzieren. So wurde für Hewlett-Packard das Angebot Der IT-Coach entwickelt, das nützliche Artikel mit Werbung verknüpfen soll.

Die Trennung solcher Redaktionen von den anderen Inhalten ist jedoch in einigen Publikationen zunehmend in Frage gestellt. So hatte ein ehemaliger Kolumnist dem britischen Telegraph vor zwei Wochen öffentlich vorgeworfen, nicht kritisch über eine Bank berichtet zu haben, die zu den Werbekunden der Zeitung gehörte. Die Süddeutsche Zeitung wies im Februar ähnliche Vorwürfe des umstrittenen Medienjournalisten Sebastian Heiser zurück. (anw)