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CeBIT-Partnerland China: Das Internet im Reich der Mitte

Für das Internet im Gastland der diesjährigen CeBIT gelten in vielerlei Hinsicht eigene Regeln. Das liegt an der chinesischen Firewall und der rigiden Filterpolitik, aber auch an einer eigenen Netzkultur.

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Das chinesische Internet

(Bild: dpa, Stephan Scheuer/Archiv)

Lesezeit: 5 Min.
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QQ.com, Taobao.com - schon mal gehört? Wahrscheinlich nicht, wenn Sie nicht aus dem chinesischen Kulturkreis stammen oder mit China Geschäfte machen. Dabei gehören diese Sites laut Alexa zu den 10 meistbesuchten Sites nicht nur im Reich der Mitte, sondern weltweit.

Für das Internet im Gastland der diesjährigen CeBIT gelten in vielerlei Hinsicht eigene Regeln. Viele Websites, die fast in der gesamten restlichen Welt zu den meistbesuchten zählen, rangieren in China eher unter "ferner liefen". Das liegt nicht alleine an der chinesischen Firewall und der rigiden Filterpolitik, sondern offenbar auch daran, dass eigene Portale und Dienstleister die Bedürfnisse der Chinesen besser bedienen.

Währendsich fast die gesamte restliche Welt bei Facebook trifft, ist China Qzone-Land.

(Bild: Vincenzo Cosenza, http://vincos.it/world-map-of-social-networks/)

Facebook etwa spielt in China keine große Rolle. Kein Wunder: Facebook und auch Twitter sind in China gesperrt. Wer sie dennoch nutzen will, muss sich erst einen VPN-Tunnel graben oder einen Proxy-Server zwischenschalten. Viel einfacher geht die Vernetzung mit Qzone, einem Angebot von QQ.com, dem Service-Portal des Internet-Unternehmens Tencent. Bei Qzone können sich die Mitglieder ein Online-Zuhause anlegen, Tagebuch führen, Fotos veröffentlichen und Musik hören. Das tun derzeit monatlich 645 Millionen aktive Nutzer.

Populär ist in China auch der Twitter-Klon Sina Weibo: Die Mitglieder berichten dort über Banales aus dem Alltag, tauschen Promi-Geschichten aus, diskutieren aber auch über Politik. Zu lesen ist hier also auch die Meinung des Volkes als Gegenstimme zu den staatlichen Medien. Als etwa im Juli 2011 zwei Züge in Ostchina kollidierten und 40 Menschen starben, ging eine massive Welle der Empörung durchs chinesische Netz.

Die kritischen Stimmen versucht die Volksrepublik zum Schweigen zu bringen. Unliebsame Äußerungen werden zensiert, Nachrichten mit bestimmten Begriffen automatisch ausgefiltert. Doch gegen die Schnelligkeit von Weibo kommen die Zensoren oft nicht an – wie im Fall des Zugunglücks. Außerdem formulieren die Weibos geschickt an den Filtern vorbei, nutzen Umschreibungen, um ihre Kritik am Staat trotzdem zu veröffentlichen.

Die chinesische Regierung lässt das nicht auf sich sitzen. Neuerdings sollen sich Weibo-Nutzer mit Klarnamen anmelden. Offizielle Begründung: Man wolle so gegen Gerüchte und Falschinformationen vorgehen. Ein Nickname ist nur noch erlaubt, wenn die Behörden wissen, wer sich dahinter verbirgt -- dazu müssen Nutzer ihre persönlichen Daten den Providern übermitteln.

Wohl auch deshalb geht der Trend zu Messengern wie WeChat, die eine private Kommunikation mit Freunden via Smartphone-App ermöglichen. Kritische Stimmen sind hier allerdings nicht so laut wie auf bei Sina Weibo. Der Regierung könnte das gefallen, glaubt Celia Hatton. Die China-Korrespondentin der BBC vergleicht Weibo mit einem Stadion, das kritischen Stimmen ein großes Publikum böte. WeChat hingegen bestehe aus privaten Karaoke-Räumen, zu denen nur wenige Zutritt hätten.

Obwohl nur im chinesischen Kulturraum relevant, liegt die Suchmaschine Baidu im Alexa-Ranking auf Platz 4.

Für die Suche im Netz benutzen Chinesen vor allem Baidu. Die Website der Suchmaschine liegt bei Alexa weltweit sogar auf Platz 4, nur Google, Facebook und YouTube haben mehr Besucher. Glaubt man den Zahlen von Net Marketshare, so hat Baidu einen weltweiten Anteil am Suchmaschinenmarkt von 26 Prozent auf dem Desktop.

Menschenrechtler werfen der Suchmaschine vor, eng mit den chinesischen Zensoren zusammenzuarbeiten und viele Sites zu blocken, die der politischen Linie des Landes zuwiderlaufen. Google hatte auch aus Protest gegen die chinesische Zensur die chinesische Version seiner Suchmaschine eingestellt (den Ableger in Hongkong betreibt Google aber weiter).

In den letzten Jahren und Monaten drängt Baidu in neue Märkte. So hat das Unternehmen Ableger seiner Suchmaschine in Thailand, Ägypten und Brasilien gestartet und plant, beim umstrittenen Mitfahr-Dienst Uber einzusteigen. Zudem hat es ein KI-Forschungszentrum in Kalifornien eröffnet, für den es auch Mitarbeiter der Konkurrenten abwerben konnte.

Chinas Vorzeige-Internet-Entrepreneur Jack Ma besucht die CeBIT.

Das Aushängeschild der chinesischen Online-Wirtschaft schlechthin ist allerdings Alibaba. Zu der Firmengruppe gehören Alibaba.com selbst für Business-to-Business-Geschäfte, aber auch etliche Dienste, die sich an Endkunden wenden, etwa das eingangs erwähnte Taobao. Der chinesische eBay-Ableger ist dagegen ein kleines Licht. Ähnlich sieht es für den Bezahldienst PayPal aus, der sich in China nicht gegen Alipay durchsetzen kann – das ebenfalls zu Alibaba gehört.

Im September hat Alibaba einen Rekordbörsengang hingelegt: Noch nie hat ein Unternehmen bei seinem Aktiendebüt mehr Geld bei Investoren einsammeln können. Beim derzeitigen Aktienkurs von ungefähr 77 Euro pro Aktie ist das Unternehmen etwa 190 Milliarden Dollar wert, 27 Milliarden mehr als Amazon.

Kein Wunder, dass sich die CeBIT mit diesem erfolgreichen Unternehmen schmücken will. Neben dem stellvertretenden chinesische Ministerpräsident Kai Ma hat Jack Ma am ersten Messetag das Reich der Mitte vertreten, der Gründer und CEO von Alibaba. Ebenso hielt Ma auch eine Keynote. Mehr als 600 Unternehmen aus dem Partnerland stellen auf der CeBIT aus. Vielleicht ist ja der eine oder andere kleine Alibaba dabei.

Mehr zum Partnerland China finden Sie in unserer Reihe zur CeBIT 2015:

(dbe) / (jo)