Mikrosatelliten mit eigenem Antrieb

Ein Start-up arbeitet an einem neuartigen Raketenmotor, der kleinen Erdtrabanten den Flug in Formationen erlaubt. Das wäre beispielsweise zur Bilderfassung nützlich.

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Von
  • Kevin Bullis

Ein Start-up arbeitet an einem neuartigen Raketenmotor, der kleinen Erdtrabanten den Flug in Formationen erlaubt. Das wäre beispielsweise zur Bilderfassung nützlich.

Der Thruster, den Natalya Brikner, Chefin des Start-ups Accion Systems, in ihrer Handfläche hält, ist sehr klein. Er sieht eher aus wie ein Computerchip als wie ein Raketenmotor – es ist ein goldüberzogenes Quadrat aus Silizium von der Größe einer Münze.

Das Antriebssystem enthält 480 kaum sichtbare Minidüsen, die in die Oberfläche des Siliziums geätzt werden. Der Thruster basiert auf einem neuartigen Elektroantrieb, der bislang nur bei einigen wenigen Weltraummissionen verwendet wurde. Dabei wird ein elektrisches Feld eingesetzt, um geladene Partikel zu beschleunigen – normalerweise Ionen, die aus einem Gas erzeugt werden.

Dutzende der Accion-Thruster lassen sich zusammen mit dem notwendigen Treibstofftank in ein Antriebssystem packen, das kaum größer ist als ein Kartenspiel. Brikner zufolge passt die Technik in Minisatelliten mit den Ausmaßen einer Kleenex-Box, die damit deutlich mehr Nutzwert erhalten. Eine erste Mission ist im Juli geplant.

Sogenannte Mikrosatelliten wurden bislang vor allem für Forschungsanwendungen genutzt, doch eine Kommerzialisierung steht kurz bevor. Erst kürzlich übernahm der Internetriese Google die Firma Skybox für 500 Millionen Dollar. Diese stellt bildgebende Satelliten her, die nur fünf Prozent des Gewichtes herkömmlicher Erdtrabanten für Video- und Fotoaufnahmen haben.

Die Fähigkeiten von Mikrosatelliten waren bislang aber eingeschränkt, weil sie nicht unabhängig manövriert werden konnten. Die Antriebssysteme ließen sich nicht ausreichend verkleinern. Denn: Konventionelle Thruster werden mit zunehmender Miniaturisierung ineffizient und können die Größe eines Mikrosatelliten leicht verdoppeln, was die eigentlichen Kostenvorteile dezimiert.

Auch Ionengasantriebe sind normalerweise eher sperrig. Accion nutzt daher eine ionische Flüssigkeit – ein Salz, das bei Raumtemperatur flüssig bleibt. "Wir müssen im Weltraum keine Ionisation durchführen, diese erfolgt schon am Boden", sagt Brikner.

Antriebssysteme für Mikrosatelliten sollen diesen erlauben, in Formation zu fliegen, um damit ähnlich leistungsfähig zu sein wie größere und teurere Satelliten – beispielsweise im Bereich der Bildgebung. Auch der Orbit könnte so länger gehalten werden, was eine deutliche Verlängerung der Nutzungszeit zur Folge hätte – bis zum Zehnfachen der aktuellen Mikros.

Andere Firmen wie Aerojet Rocketdyne und Busek entwickeln ebenfalls Mini-Thruster. "Wir haben es hier mit einem "Micro Space Race" zu tun, bei dem es darum geht, wer diese Teile als Erstes in den Weltraum bekommt", meint Paulo Lazano, Direktor des Space Propulsion Lab am MIT. An seinem Labor entstand die Grundlagentechnik. (bsc)