CeBIT-Partnerland China: Zensur und Protektionismus gefährden den Standort

In den vergangenen Jahren war die chinesische Internetzensur vor allem ein Thema für Aktivisten. Jetzt hat sich das Blatt gewandelt: Internetzensur und gesperrtes VPN stellen auch die Wirtschaft im Land vor große Probleme.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Cybermacht China

(Bild: dpa, Stephan Scheuer)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hauke Gierow
Inhaltsverzeichnis

Der amerikanische Internetkonzern Yahoo schließt sein letztes noch verbliebenes China-Büro in Peking. Bereits im Jahr 2013 hatte die Firma aufgehört, chinesischen Nutzern ihren E-Mail-Dienst anzubieten und die Nutzer animiert, zum chinesischen Alimail zu wechseln. Von der Schließung des Büros, das vor allem für Forschung und Entwicklung im Bereich "Global Business" zuständig war, werden rund 300 Mitarbeiter betroffen sein. Yahoo hatte, wie fast alle ausländischen IT-Unternehmen in China, immer wieder mit Angriffen auf die eigene Infrastruktur zu kämpfen. Für die Weitergabe von Daten chinesischer Nutzer an die chinesische Regierung wurde das Unternehmen international kritisiert.

Auch für den internationalen Automobilhersteller General Motors schwindet die Attraktivität des Standortes China offenbar: Bereits im November 2013 entschied das Unternehmen, seine Asienzentrale nach Singapur zu verlagern. Grund dafür ist neben der hohen Luftverschmutzung vor allem die zunehmende Internetzensur.

Nicht nur verkleidete Aktivisten vor der CeBIT sind mit Chinas Netzpolitik unzufrieden. Immer mehr Unternehmen spüren die Hemmnisse.

(Bild: dpa, Ole Spata)

Immer mehr Firmen machen es wie GM. Sie verlagern "datenintensive" Tätigkeiten von China in andere asiatische Großstädte wie Seoul, Singapur oder Tokio. Grund ist vor allem die zunehmende Internetzensur. Viele auch für Unternehmen wichtige Dienste wie GMail, Google Docs und Dropbox funktionieren nicht mehr. Für viele noch dramatischer: Auch gesicherte VPN-Netzwerke arbeiten nicht mehr zuverlässig. Sicher kann nur sein, wer sein Netzwerk bei der chinesischen Regierung registriert. Dies jedoch erhöht das Risiko, gezielt ausspioniert zu werden.

Die Internetzensur ist nicht das einzige Hindernis für ausländische Firmen im IT-Bereich. China begnügt sich heute nicht mehr damit, nur Informationen im Netz zu zensieren, um die Kontrolle über Informationstechnologien zu erlangen. Neue Cyber Security-Gesetze machen Regierungsstellen, aber auch privaten Unternehmen, wie etwa Banken, konkrete Vorgaben, welche Hard- und Software eingesetzt werden darf. Dabei gilt in immer mehr Bereichen: Eine Zertifizierung als sichere Technologie bekommen nur chinesische Produkte.

Apple hat Berichten nach als erstes westliches Unternehmen zugestimmt, seine Produkte einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Das genaue Ausmaß der Kooperation ist unbekannt – einige Experten befürchten, dass das Unternehmen seinen Quellcode mit der Regierung teilt. Kritiker bemängeln, dass Apple die Sicherheit seiner Nutzer gegen einen gesicherten Marktzugang in China eintauscht.

Die chinesische Regierung entwickelt zudem technische Parallelstandards. Ausländische Verschlüsselungstechnologien dürfen chinesische Unternehmen nur nutzen, wenn sie diese zur internationalen Zusammenarbeit benötigen. Internationale Unternehmen dürfen etablierte Verfahren wie RSA nutzen – noch. Langfristig ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch für internationale Unternehmen restriktive Vorgaben eingeführt werden. Diese Entwicklungen zielen letztlich auf eine verstärkte Kontrolle der eingesetzten Technik durch die chinesische Regierung.

In den vergangenen Jahren waren Unternehmen von der Internetzensur nur wenig betroffen. Die Zensurbemühungen der Kommunistischen Partei trafen vor allem politisch sensible Informationen. Dienste, die vor allem von Unternehmen genutzt werden (wie z.B. Google Apps und spezielle VPN-Anbieter), funktionierten daher mit einer höheren Zuverlässigkeit als jene Dienste, die vor allem zur Umgehung von Zensur genutzt werden, wie zum Beispiel das Tor-Netzwerk.

Die Schonfrist für Unternehmen ist jedoch vorbei. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen sehen Internetzensur als Behinderung ihres China-Geschäftes. Ein Mitarbeiter eines internationalen Unternehmens in China schätzte gegenüber der Financial Times, dass die Internetzensur seine Produktivität um rund 20 Prozent senkt, wenn er stundenlang nach Wegen suchen muss, um eine Datei an Kollegen in den USA oder Europa zu verschicken.

Westliche Unternehmen sind darüber hinaus von neuen, restriktiven Importregelungen betroffen. Viele bekannte IT-Hersteller wie CISCO, Apple und Intel sind von den Beschaffungslisten öffentlicher Stellen gestrichen worden. Chinesische Banken sind außerdem verpflichtet, bis 2019 zu mindestens 75 Prozent Technologien aus chinesischer Herstellung zu verwenden.

Die größte Herausforderung für die deutsche Industrie steht jedoch noch bevor. Die auf der CeBIT an jeder Ecke beschworene vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0), also die Vernetzung des Produktionsprozesses mit Hilfe von Sensoren, wird die Menge an übertragenen Daten exponentiell steigern. Doch die chinesische Regierung plant offenbar, an diesem Datenschatz zu partizipieren. Chinesische Autohersteller werden seit Jahren massiv von der Regierung bei der Entwicklung neuer Modelle unterstützt. Staatliche Förderprogramme für vernetzte Autos sehen jedoch auch eine Beteiligung chinesischer Sicherheitsbehörden vor. Deutsche Autobauer müssen sich überlegen, wie sie mit solchen Forderungen umgehen wollen.

Denn wenn chinesische Regierungsstellen Daten aus den Sensoren auslesen können, sind unter Umständen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen. Welche Einstellungen benötigt der Motor um optimal zu laufen? Wie arbeiten die verschiedenen Komponenten des Autos miteinander zusammen? All diese Informationen versuchen Hersteller derzeit bestmöglich zu schützen.

Hier könnte die Bundesregierung stärkere öffentliche Akzente setzen und die chinesische Regierung in die Pflicht nehmen. In ihrer Eröffnungsrede zur CeBIT kritisierte Angela Merkel den zunehmenden Protektionismus im IT-Bereich erstmals. Die US-Regierung wird deutlicher: Über den Entwurf eines Anti-Terror Gesetzes, der Unternehmen dazu verpflichtet hätte, ihren Quellcode mit der chinesischen Regierung zu teilen, beschwerten sich sowohl sowohl US-Präsident Obama als auch die großen IT-Verbände des Landes. Offenbar mit Erfolg. Ursprünglich sollte das Gesetz noch während der am 15. März zu Ende gegangenen Sitzung des Nationalen Volkskongresses verabschiedet werden. Dies wurde jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben.

Mehr zum Partnerland China finden Sie in unserer Reihe zur CeBIT 2015:

(axk)