Kommentar: Schützt 5 GHz vor den Mobilfunkern!

Das 5-GHz-Band hat trotz breiter WLAN-Nutzung noch freie Kapazitäten und die Mobilfunker gieren danach. Super-Idee, Applaus! Aber dann bitte gleiches Recht für alle: Her mit den Mobilfunk-Spektren, die in der DSL-Diaspora brachliegen.

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Kommentar: Schützt 5 GHz vor den Mobilfunkern!

AVM warnt vor LTE-Downstreams im 5-GHz-Band.

(Bild: AVM)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic

Das Normungsgremium 3GPP, unter dessen Dach die Mobilfunkbranche ihre Standards entwickelt, hat kürzlich eine Spezifikation angekündigt, mittels der Netzbetreiber das hauptsächlich von WLANs verwendete 5-GHz-Band mitnutzen sollen (LTE License Assisted Access, LTE-LAA). Die Mobilfunknetze sind dem Ansturm der Smartphone-Nutzer kaum gewachsen und brauchen immer mehr Frequenzspektrum, das steht fest. Warum das 3GPP aber gerade auf das 380 MHz breite ISM-Band ein Auge wirft, ist nicht ganz so klar. Okay, es ist nicht immer und überall belegt. Wirklich attraktiv für die Mobilfunktelefonie und den Internet-Zugang sind davon aber nur die 160 MHz im Unterband. Aber schon aktuelle 11ac-Geräte können bis zu 80 MHz belegen. Die nächste WLAN-Generation, die bis zu 160 MHz nutzen kann, ist bereits in Planung. Dass WLAN-Routerhersteller wie AVM vorsichtig ausgedrückt, Bedenken gegen LTE-LAA äußern, verwundert nicht.

Ein Kommentar von Dušan Živadinovic

Dušan Živadinovic wechselte Anfang der 90er Jahre aus der Forschung und von der Universitäts-Micro-VAX zum Journalismus und auf handlichere PC-Systeme. Aus dem Computer-Pleistozän bringt er Erinnerungen an die Amiga-Ära mit, als c't-Redakteur und Ressortleiter Netzwerke widmet er sich hauptsächlich Kommunikations-, Netzwerk- und Serverthemen.

Zudem hat die Mobilfunkbrache für LTE weltweit schon 43 Funkbänder exklusiv. In Deutschland allein standen den drei Netzbetreibern Ende 2014 zusammen 615,5 MHz zur Verfügung (2 x 265,65 MHz gepaart und 84,2 MHz ungepaart; das ungepaarte liegt übrigens weitgehend brach). Mit der Frequenzversteigerung, die in einigen Wochen beginnt, kommen im 700-MHz-Band noch 30 MHz gepaartes Spektrum sowie 40 MHz ungepaartes Spektrum hinzu. Das Ungleichgewicht ist offensichtlich.

Dennoch greift die 3GPP nach dem 5-GHz-ISM-Band und schickt beschwichtigend voraus, dass die LTE-Basisstationen stets prüfen würden, ob der angepeilte Bereich gerade frei ist, bevor sie senden (Listen Before Talk plus Fairness Algorithm; Details zur Spezifikation liefert der c't-Artikel "Dazwischenfunken"). Der Netzwerk-Zulieferer Ericsson will nun ebensolche LTE-Basisstationen liefern, die Deutsche Telekom hat bereits Interesse bekundet.

Die ungeschriebenen Spielregeln der Frequenzvergabe sind aber weltweit eindeutig: Da Frequenzen ein knappes Gut sind, teilen staatliche Verwaltungen das Spektrum im Interesse des Gemeinwohls auf. So bekommen etwa Sicherheitsbehörden, die Forschung und eben auch Unternehmen für ihre Dienste eigene Bereiche. Diese Exklusivität garantiert Gewinne. Was vom Kuchen übrig bleibt, darf Jedermann lizenz- und anmeldefrei verwenden – gemessen am gesamten nutzbaren Spektrum sind das aber Krümel. Es hat daher etwas Unehrenhaftes, wenn sich große Mobilfunker an Krümeln privater WLAN-Betreiber gütlich tun.

Obendrein erscheint gerade der Bereich, auf den Mobilfunker ein Auge geworfen haben, wenig attraktiv. Die Reichweiten sind klein, die sich mit 5-GHz-Funk erzielen lassen. Dieses Band taugt also allenfalls für LTE-Hotspots. Dabei gibt es für den Hotspot-Betrieb schon andere LTE-Bänder. In vielen Ländern, auch in Deutschland ist dafür zum Beispiel das 2,6-GHz-Band gebräuchlich. Wenn es schon höherfrequente Bänder sein sollen, dann bietet sich eher der Spektrumsfriedhof des gescheiterten Wimax im 3,5-GHz-Band an. Dieses Band hat bessere Ausbreitungseigenschaften und erste Experimente mit LTE sind positiv verlaufen.

Freilich ist offen, wann die Regulierer das ungenutzte 3,5-GHz-Spektrum neu zuteilen. Außerdem müssten die Mobilfunker wie immer bei neuen Zuteilungen in Auktionen um die Nutzungsrechte ringen. Man kann sich leicht vorstellen, dass sie das lieber vermeiden wollen. Aber auch die Regulierer brauchen keine Brille, um zu erkennen, dass der Griff nach dem 5-GHz-Band wie eine Maßnahme zur Umgehung von kostspieligen Auktionen aussieht. Spannend wird sein, wie das die Regulierer bewerten. Die recht offen gehaltene "Allgemeinzuteilung" für das 5-GHz-ISM-Band ließe sich jedenfalls leicht enger fassen.

Dass LTE nur dann im 5-GHz-Band senden will, wenn ein Kanal gerade frei ist, klingt zunächst schön. Aber dann muss ein in Reichweite arbeitendes WLAN-Gerät warten, bis es selbst dran ist – beide teilen sich das Medium, der Durchsatz sinkt. Und hat ein Netzbetreiber erst einmal eine LTE-Basisstation für den 5-GHz-Betrieb gerüstet, wird er die Ausgaben wieder einspielen wollen. Eine solche Basisstation würde das 5-GHz-Band also auf Jahre hinaus mitnutzen.

Diese Erweiterungsstrategie der 3GPP könnte aber auch nach hinten losgehen. Prinzipiell kann man im Umkehrschluss nämlich gleiches Recht für alle fordern. Allein in Deutschland geben Vodafone, Telefónica und Telekom enorme Summen für bundesweite Nutzungsrechte von Frequenzbändern aus. Aber Spektren im 1800- und 2600-MHz-Band, die zusammen bis zu 300 MBit/s ermöglichen, nutzen sie nur in Ballungsgebieten und nicht in Kleinkleckersdorf. Die Schnapsidee zuende gedacht, fremdes brachliegendes Spektrum zu nutzen, sollte das 3GPP also keine Einwände haben, wenn neue Funktechniken entwickelt werden, die über ungenutzte Mobilfunkspektren jede Kuhglocke und Milchkanne ins Internet der Dinge bringen. Selbstverständlich ebenfalls koexistent, mit Listen Before Talk, Fairness Algorithm und allem Pipapo. Aber natürlich würden sie das entrüstet ablehnen.

Dabei ließe sich aus der auf 5 GHz beschränkten LTE-LAA-Koexistenz sogar Großes machen. Im Prinzip könnte jegliches geeignete Spektrum, das gerade brach liegt, vorübergehend anderen zu Gute kommen; Spektrumanteile sicherheitskritischer Dienste natürlich ausgenommen. Software-Defined Radios, die den Frequenzbereich dynamisch wechseln können, gibt es längst und auch viele, sehr fortgeschrittene Konzepte zur dynamischen Frequenzvergabe. Den Gedanken müsste lediglich eine gewichtige Institution wie das 3GPP entschieden in die Stuben der Regulierungsbehörden tragen. Von einer dann folgenden Umwälzung der Frequenzvergabeprinzipien dürften die Mobilfunker jedenfalls mehr und dauerhafter profitieren, als vom Wildern in einem Bereich, der ihnen zumindest moralisch nicht zusteht. Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn sich das Gremium einmal unvoreingenommen mit den Ideen der Open Spectrum Foundation befassen würde. Die Wi-Fi Alliance, die LTE-LAA milde ausgedrückt kritisch sieht, würde sicherlich mitziehen. (dz)