Datenschützer vermisst Zeichen der Politik gegen Massenüberwachung

Der NSA-Whistleblower Edward Snowden habe Licht ins Schattenreich von Geheimdiensten gebracht, schreibt der Kieler Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert in seinem Tätigkeitsbericht, Gegenmaßnahmen ließen aber auf sich warten.

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Thilo Weichert

Thilo Weichert geht in seinem Jahresbericht mit der Bundesregierung ins Gericht.

(Bild: dpa, Markus Scholz)

Lesezeit: 2 Min.

Der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), Thilo Weichert, hat die Politik in seinem am Dienstag veröffentlichten Tätigkeitsbericht für 2013 und 2014 für ihre Lippenbekenntnisse bei der Aufarbeitung des NSA-Skandals kritisiert. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen wiesen die von Edward Snowden offengelegte Massenüberwachung durch Geheimdienste zwar "rhetorisch zurück", ergriffen aber keine "wirksamen Maßnahmen", um die damit einhergehenden Rechtsverletzungen zu beenden.

Die Politik der Regierung gegenüber den verantwortlichen Staaten und Institutionen vermittele den Eindruck, "die verletzten Regeln seien disponibel". Deutschland und Europa seien aufgefordert, "ein klares aktives Zeichen zu setzen gegen die globale Ausforschung durch NSA und GCHQ". Der streithafte Datenschützer bezeichnet es zudem als "Schande", dass Snowden in Deutschland ein sicherer Aufenthaltsort verweigert werde und dieser in Russland Schutz suchen müsse, wo die Menschenrechte kein Zuhause hätten.

Weichert rügt darüber hinaus, dass die Bundesregierung die laufende EU-Datenschutzreform ausgebremst habe. Entgegen ihren Ankündigungen im Koalitionsvertrag habe die Koalition bisher kaum erkennbare Schritte unternommen, um die "Sicherheit unserer informationstechnischen Infrastruktur" zu verbessern. Der Regierungsvorschlag für ein IT-Sicherheitsgesetz bleibe "weit hinter rechtsstaatlichen und technischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten zurück".

Bürgern müssten Instrumente an die Hand gegeben werden, mit denen sie ihre digitalen Rechte wahren könnten, fordert der ULD-Chef. Die Pflicht des Staates, die Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen zu gewährleisten, dürfe aber "nicht zu einem bloßen Selbstschutzprogramm degradiert werden".

Weichert kritisiert auch, dass es immer mehr "scheinbar unentgeltliche Internet-Angebote" gebe, die die Privatsphäre der Bürger weitgehend ignorierten. Immer mehr Daten würden in die Cloud verlagert, was zu einem Kontrollverlust führen könne. Big Data sieht Weichert ebenso kritisch wie das "zunehmende Vertrauen in durch Algorithmen begründete Entscheidungen mit gesellschaftlicher und individueller Bedeutung, etwa durch Rating- oder Scoring-Verfahren". (vbr)