Init7 sammelt Belege für Netzneutralitätsverstöße der Deutschen Telekom

Der Schweizer Netzbetreiber Init7 hat über mehrere Tage Messungen für zwei Testdateien aufgenommen. Daraus soll hervorgehen, dass große Internetanbieter das Gebot der Netzneutralität zum Schaden ihrer Teilnehmer nicht einhalten.

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(Bild: dpa, Ole Spata)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Reiko Kaps
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In der Diskussion für und wider die Netzneutralität, also die Gleichbehandlung von durchzuleitenden Daten unabhängig von der Herkunft, bringt der Schweizer Netzbetreiber Init7 weitere Argumente für Befürworter der Netzneutralität. Damit will der Netzbetreiber helfen, die Diskussion zu versachlichen, denn bisher gibt es wenig belastbare Belege, aber viele Meinungen.

Init7 wendet sich gegen die Behauptung, dass es aktuell gar keine Verstöße gegen die Neutralität gebe und liefert dazu Vergleiche zwischen zwei Strecken zu gleichen Netzbetreibern. Init7 ging vor den Messungen davon aus: Wenn die Netzneutralität eingehalten wird, sollten sich zwischen beiden keine Unterschiede hinsichtlich Latenz oder Durchsatz zeigen.

Aus den abgebildeten Messungen schließt Init7 jedoch auf das Gegenteil: Große Internet-Anbieter, darunter die Deutsche Telekom, Comcast und France Telekom, benachteiligen demnach kleine Netzbetreiber durch ungünstige Peering-Verträge und verletzen so die Netzneutralität. Beispielsweise passe die Deutsche Telekom Peerings mit anderen Netzen nicht an den steigenden Internet-Verkehr an und bremse so Verbindungen zu kleinen Peers aus.

Streckenprüfung: Aus dem Netz der Telekom lässt sich eine Testdatei auf zwei Wegen abrufen. Init7 will mittels Erhebung von Paketverlustraten die Folgen aufzeigen, die sich aus den verschieden teuren Strecken zum Netz der Telekom ergeben.

Schnelle Leitungen für Interconnection-Verbindungen ins Telekom-Netz gebe es laut Init7 nur gegen einen "überhöhten monatlichen Betrag". Preise nennt Init7 jedoch nicht. Die Deutsche Telekom könne sich solche Forderungen aber nur deshalb leisten, weil sie immer noch ein Monopol bei den Endkunden-Anschlüssen habe und wie ein Türsteher Eintritt kassieren könne.

Die Interconnection-Gebühren lägen weit oberhalb der üblichen Marktpreise, beklagt Init7 weiter. Der Netzbetreiber behauptet, dass die Telekom selbst andere große Netzbetreiber, darunter TeliaSonera in derartige Verträge zwingt. Obwohl die Telekom ihr Netz eigentlich bereits über ihre Endkunden finanziert habe, würden dem Unternehmen so nochmals Einnahmen zufließen, meint das Schweizer Unternehmen.

Zum Vergleich hat Init7 zwei virtuelle Server, netneutral-slow.init7.net und netneutral-fast.init7.net aufgesetzt, die identische Dateien zum Test-Download vorhalten. Beim Abruf der Datei aus dem Telekom-Netz über netneutral-slow.init7.net läuft der Traffic über einen in den USA ansässigen Kooperationspartner, der seine Infrastruktur zu marktüblichen Preisen zur Verfügung stellt. Ruft man die Datei hingegen vom Server netneutral-fast.init7.net ab, wird sie mittels Policy-Routing über eine direkte Verbindung zur Deutschen Telekom ausgeliefert. Init7 nennt diese Leitung "bezahlte Überholspur".

Die abgebildeten Paketverlustdaten über mehrere Tage legen nahe, dass beispielsweise die Netze der Deutschen Telekom (Autonomes System AS3320) und France Telecom (AS3215, AS5511) den Abruf der Daten aus ihren Netzen bei üblich bezahltem Peering deutlich bremsen. Hohe Latenzen und Paketverluste auf kurzen Strecken legen Überlastungen von Routern nahe, die an der Übertragung beteiligt sind – die eingerichtete Peering-Kapazität genügt den Anforderungen nicht. Bei Einhaltung der Netzneutralität sowie gleich dimensionierten Netzwerkelementen und Anschlüssen, erwartet man, dass Teilnehmer in diesen Netzen keine Unterschiede zwischen den Strecken feststellen.

Philip Blank, ein Sprecher der Deutschen Telekom entgegnete darauf in einer Stellungnahme gegenüber heise Netze: "Die Behauptung von init7 ist Unsinn. Es gibt keine bezahlte Überholspur. Verglichen wurde die direkte Netzzusammenschaltung mit uns mit einer über einen amerikanischen Netzbetreiber. Äpfel und Birnen also. Das gilt auch für die gegenständliche Welt: Wenn ich mein Paket von Deutschland nach Frankreich über die USA schicke, brauche ich mich nicht zu wundern, dass es länger unterwegs ist."

Weiter meint Blank, dass sich Netzqualität eben nicht nur durch geringe Latenz auszeichne, sondern unter anderem auch durch geringe Paketverluste (Packet Loss). "Wir können nichts zur Qualität anderer Netzbetreiber sagen", fügt Blank an. "Jeder Anbieter entscheidet selbst, mit wem er sich zusammenschließt. Falls der amerikanische Anbieter die Kapazitäten der Netzzusammenschaltung erhöhen möchte, sind wir dafür offen." (rek)