Französische Filesharer könnten auf No-Fly-Liste landen

Kein Aprilscherz: Die "European Digital Rights"-Initiative (EDRi) warnt davor, dass französischen P2P-Nutzern mit dem geplanten EU-Sammelsystem für Flugpassagierdaten Schwierigkeiten drohen, wenn sie fliegen wollen.

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Französische Filesharer könnten auf No-Fly-Liste landen

EDRi setzt sich gegen die geplante Fluggastdatensammelei ein

(Bild: EDRi)

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Auf potenziell sehr weitgehende Auswüchse des geplanten IT-Großprojekts, mit dem in der EU Fluggastdaten gesammelt und ausgewertet werden sollen, hat die Bürgerrechtsorganisation "European Digital Rights" (EDRi) am Mittwoch aufmerksam gemacht. Demnach könnten auch französische Nutzer, die illegal per Filesharing geschützte Inhalte aus dem Internet gesaugt haben, künftig von Flügen ausgeschlossen oder zumindest am Flughafen verschärft kontrolliert werden.

EDRi verweist eigens darauf, dass sich dies nach einem schlechten Aprilscherz anhöre, die Sorge aber von den Fakten gedeckt sei. Nach dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission sollen Passenger Name Records (PNR) wie Namen, E-Mail-Adressen, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern oder Essenswünschen fünf Jahre aufbewahrt werden. Auf die zugreifen sollen Sicherheitsbehörden bei Terrorismus und "schweren Straftaten" dürfen. Sie sollen die Informationen auch gegen andere Datenbanken abgleichen dürfen.

Unter "Schwerverbrechen" fallen nach EU-Recht Delikte, auf die eine "Höchststrafe von mindestens drei Jahren" steht. In Frankreich kann die rechtswidrige Nutzung von P2P-Netzwerken – wie Totschlag oder das Aussprechen von Todesdrohungen – just mit drei Jahren Gefängnis geahndet werden, schreibt EDRi.

Da Sicherheitsbehörden vor einer Ankunft oder einem Abflug prüfen dürften, ob Passagiere in Straftaten verwickelt seien, könnten Filesharer aus Frankreich einer "weiteren Befragung durch die kompetenten Behörden" zugeführt und gegebenenfalls von einem Flug ausgeschlossen werden. Zum Verhängnis werden dürfte P2P-Nutzern dabei vor allem die Datenbank, in der die französische Anti-Piraterie-Behörde Hadopi wiederholte Urheberrechtsverletzer im nationalen 3-Strikes-System speichert.

Noch deutlicher machen die mögliche Verknüpfung die Änderungsanträge des Berichterstatters des EU-Parlaments, Timothy Kirkhope. Der britische Rechtskonservative bezieht sich bei den Zugangsmöglichkeiten der Fahnder bei Terrorismus und "schweren transnationalen Straftaten" zwar wie die Kommission auf den recht weiten Katalog des europäischen Haftbefehls. Ausdrücklich führt er dabei aber neben organisierter Kriminalität, Kinderpornographie oder Totschlag auch "Computerstraftaten" auf. Den Bezug zu illegalem Filesharing sieht EDRi damit in Frankreich von vornherein gegeben. Im Gegensatz zur Kommission will Kirkhope auch innereuropäische Flüge in das System integriert wissen.

Gegen die PNR-Richtlinie richtete sich vergangenen Samstag ein bundesweiter Aktionstag. Ein Bündnis überwachungskritischer Gruppen hatte zu Protestkundgebungen an mehreren Flughäfen etwa in Berlin, Frankfurt, Kassel, Köln/Bonn, Saarbrücken, Stuttgart oder Brüssel aufgerufen, um die geplante "europaweite Vorratsspeicherung" von Passagierdaten zu verhindern. Wenn staatliche Behörden auf sensible PNR-Sätze zugreifen und diese miteinander verknüpfen, könnten sie den Kritikern zufolge viele Rückschlüsse über Menschen ziehen, die unter den Schutz der Privatsphäre fallen wie Religion, Sexualität oder andere Lebensgewohnheiten. Weitere Aktionen sind für den 11. April geplant. (anw)