Meinung: Die neue Formel fürs Gen-Geschäft

Der Genetik-Dienstleister 23andMe hat eine Datenbank mit der DNA williger Probanden angehäuft. Jetzt verkauft er den Zugang dazu.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado

Der Genetik-Dienstleister 23andMe hat eine Datenbank mit der DNA williger Probanden angehäuft. Jetzt verkauft er den Zugang dazu.

Antonio Regalado schreibt für die US-Ausgabe von Technology Review und berichtet über Medizin- und Wirtschaftsthemen.

Jeder User beschert Facebook im Jahr rund acht Dollar Einnahmen. Was aber wäre, wenn Sie einem Unternehmen nicht nur Ihre Fotos und Status-Updates anbieten, sondern Ihr gesamtes Genom? Dann dürfte Ihr Wert auf bis zu 20.000 Dollar steigen. Diese Summe erhält, wer den – laut "Forbes"-Magazin 60 Millionen Dollar schweren – Deal zwischen dem Biotech-Unternehmen Genentech und dem Gentest-Anbieter 23andMe durch 3.000 teilt. So viele DNA-Datensätze von Parkinson-Patienten hat 23andMe in seiner insgesamt 820.000 Kunden umfassenden Datenbank. Genentech will sie nach genetischen Hinweisen zur Krankheit durchforsten.

Der Deal liefert interessante Einblicke in das dynamische DNA-Business. Er zeigt, dass auch 23andMe ein altbekanntes Modell zugrunde liegt: Die einen liefern die Daten, die anderen machen das Geschäft. Und genau dies ist die große Hoffnung für die aufstrebende Firma, die in den vergangenen Monaten vor allem durch ihre Schwierigkeiten mit den US-Aufsichtsbehörden auffiel.

23andMe bot 2006 als Erster Gentests für Privatkunden an. Sie konnten eine Speichelprobe einschicken und erhielten anschließend eine detaillierte Auflistung ihrer Risiken für Volkskrankheiten wie Makula-Degeneration. Doch 2013 verbot die US-Zulassungsbehörde FDA den Test aus Sorge, dass die Informationen in den Tests nicht akkurat genug seien. Das Geschäft von 23andMe brach merklich ein, zum Stillstand kam es aber nicht. Denn das Kerngeschäft der Firma ist weniger der Verkauf der Gentests für 99 Dollar als vielmehr die Auswertung der genetischen Daten.

23andMe dürfte über eine der größten DNA-Datenbanken verfügen. Immerhin 600.000 Kunden haben eingewilligt, ihre Erbinformationen für wissenschaftliche Zwecke freizugeben. Genentechs Zugang zu den gelagerten Speichelproben ist, wenn eine unterschriebene Einwilligung vorliegt, also erlaubt.

Den Verkauf des Zugriffs darauf halten einige Beobachter dennoch für "furchterregend". 2013 zeigte sich etwa der Journalist Charles Seife im Magazin "Scientific American" besorgt, dass die Einverständniserklärungen für die Forschung sich als sinnlos erweisen könnten. Unternehmen wie Google und Facebook änderten häufig ihre Datenschutzbestimmungen. Warum sollte es bei DNA eine Ausnahme geben? "Der Personal Genome Service ist nur die Fassade für eine riesige Datenbeschaffungsmaßnahme, die gegen die ahnungslose Öffentlichkeit vorgenommen wird", schreibt Seife.

Bislang agiert 23andMe eher aufrichtig als unheimlich. Die Parkinson-Forschung liegt Geschäftsführerin Anne Wojcicki und ihrem getrennt lebenden Ehemann, Google-Chef Sergey Brin, persönlich am Herzen: Bei seiner Mutter wurde die Krankheit diagnostiziert, die in Familien gehäuft auftreten kann. Doch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit von DNA hat Seife nicht ganz Unrecht. "Forbes" zufolge ist es nur der erste von insgesamt zehn Deals, die 23andMe mit Pharma-Unternehmen geschlossen hat.

Um den Massen an genetischen Daten einen Sinn zu entlocken, werden die Firmen zusätzliche Informationen über die individuelle Lebenssituation und Krankengeschichte der Patienten benötigen. Für diesen Fall, so berichtet "Forbes", will 23andMe erneut auf seine Kunden zugehen, um weitergehenden Zugriff zu erhalten. Es wird spannend, ob diese auch diesmal ihre Erlaubnis geben. (bsc)