Hannover Messe: Die gedruckte Hand ohne Motoren

Dank eines speziellen Drahts kann sie sich ganz ohne Motoren bewegen: Die mit dem 3D-Drucker hergestellte Hand, die die Universität des Saarlandes auf der Hannover Messe zeigt.

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Die gedruckte Hand

Neben der Hand haben die Saarbrücker Wissenschaftler auch einen Greifer und ein Ventil mit Formgedächnisdrähten ausgestattet.

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Friederike Maier
  • Philip Steffan

Hier sind keine Motoren am Werk: Die Finger der künstlichen Hand bewegen sich mit Formgedächnisdraht (Shape Memory Alloy). Dieser Draht besteht aus einer Nickel-Titan Legierung. Erwärmt man diese, etwa indem man Strom durchfließen lässt, kehrt der Draht in eine vorher eingeprägte Form zurück, daher der Name Formgedächnis.

Häufig verwendet wird die Technik schon beispielsweise in Stents. Diese dehnen sich, einmal an die richtige Stelle in der Arterie eingebracht, durch die Körpertemperatur aus und ermöglichen so wieder einen ungestörten Blutfluss. Eine weitere Anwendung ist das Einstellen der Linsen beim Autofokus beispielsweise in Mobiltelefonen oder auch die Bildstabilisierung.

Der Draht in der Hand ist so geschaffen, dass er sich bei Erwärmung wie ein Muskel zusammenzieht. Wenn er wieder abkühlt, kann er leicht mit einer Gegenkraft gedehnt werden. Mehrere Drahtstränge verbinden die einzelnen Fingerglieder und übernehmen an der Vorderseite des Fingers die Beuge-Muskulatur und an der Rückseite die Streck-Muskulatur. Um schnelle Bewegungen zu ermöglichen, haben die Forscher nach dem Vorbild des menschlichen Muskelaufbaus mehrere der feinen Drähte wie Muskelfasern gebündelt.

"Das Bündel kann sich schnell verkürzen und wieder lang werden und das bei hoher Zugkraft", erklärt die Ingenieurin Filomena Simone, die als Doktorandin am Prototyp der künstlichen Hand arbeitet. "Der Grund dafür liegt in der schnelleren Abkühlung. Mehrere Drähte geben durch die größere Oberfläche auch mehr Wärme ab. Anders als ein dicker Draht erreicht das Bündel schnelle Kontraktionen, die denen von menschlichen Muskeln gleich kommen. So wird eine schnelle und fließende Bewegung der Finger möglich", erläutert sie.

Eine weitere praktische Eigenschaft des Drahtes ist, dass sich mit seiner Dehnung auch der elektrische Widerstand verändert. Diesen kann man messen und mit der Position eines jeden Fingers korrelieren. So kann die Hand sehr genau auf eine Position eingestellt werden. Außerdem kann man damit auch messen, ob eine Bewegung gestört ist und entsprechend reagieren.

Weil man außer etwas Elektronik keine größeren Bauteile benötigt, kann die Hand sehr leicht mit einem 3D-Drucker gebaut werden, momentan liegt der Prototyp bei unter 200 Gramm. Hinzu kommt, dass die Hand keine Motorgeräusche von sich gibt. Neben Industrieanwendungen macht dies die künstliche Hand auch interessant für eine Verwendung als Prothese.

Filomena Simone ist Doktorandin am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik und hat die Roboterhand mit entwickelt.

"Die Einzelteile des Hand-Prototypen bestehen aus Polymer und lassen sich in etwa fünf Stunden drucken", so die Wissenschaftlerin. Formgedächnisdrähte kosten auch nicht sonderlich viel. Die Mechatronik-Ingenieurin konzentriert sich bisher allerdings auf den mechanischen Aufbau und die Optimierung der Bewegungsabläufe. Um das ganze in eine verwendbare Prothese weiterzuentwickeln, sucht sie momentan Partner aus der Industrie.

Eine Herausforderung der Formgedächnis-Technik für mobile Anwendungen ist der hohe Energieverbrauch. Um eine Stellkraft von knapp einem Kilo in einer Sekunde aufzubauen, benötigt etwa der häufig verwendete Draht Flexinol laut Datenblatt eine Stromstärke von über einem Ampere. (phs)