Kleine blaue Monster

Ein Start-up will 3D-Bilder in die reale Welt integrieren. Eine halbe Milliarde Dollar soll der Plan kosten. Wie wäre es, mit Monstern zusammenzuleben?

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Von
  • Rachel Metz

Ein Start-up will 3D-Bilder in die reale Welt integrieren. Eine halbe Milliarde Dollar soll der Plan kosten. Wie wäre es, mit Monstern zusammenzuleben?

Eigentlich weiß ich, dass kein vierarmiges blaues Monster mit verdrehten Hörnern im Raum ist und vor mir herumstapft. Aber es sieht verdammt danach aus. Ich sitze hinter einer Werkbank beim Start-up Magic Leap in Dania Beach im US-Bundesstaat Florida. Mit großen Augen starre ich durch ein Paar Linsen, befestigt an einer Art Metallgestell über meinem Kopf, in dem sich weitere Linsen und reichlich Elektronik befinden. Es handelt sich um einen frühen Prototyp der Technologie, die das Unternehmen als „Cinematic Reality“ bezeichnet. Sie sorgt dafür, dass ich den Eindruck habe, die muskulöse Bestie mit dem unfreundlichen Gesichtsausdruck und zwei Paaren schwingender Arme schwebe etwa zwei Meter vor meinem Gesicht.

Mit einem an die Demo-Anlage angeschlossenen Videospiel-Controller in der Hand kann ich das Monster per Knopfdruck kleiner oder größer machen, es nach links, rechts oder weiter weg bewegen. Natürlich hole ich es so nah wie möglich heran. Ich möchte sehen, wie realistisch es aus der Nähe wirkt. Ich habe Handtaschengröße eingestellt. In etwa 70 Zentimetern Entfernung sieht die Figur so echt aus, wie ein Monster nur aussehen kann. Ich sehe raue Haut, muskulöse Extremitäten und tief liegende perlenartige Augen. Ich strecke meine Hand aus, um der Kreatur eine Unterlage zum Gehen anzubieten, und ich schwöre, kurz darauf ein Kitzeln auf meiner Handfläche zu spüren. Einen Sekundenbruchteil später erinnert sich mein Hirn wieder daran, dass ich vor mir nur ein beeindruckend überzeugendes 3D-Bild sehe, und ich muss grinsen.

Die bisherigen Technologien für virtuelle und erweiterte Realität in Filmen, Smartphone-Apps und Elektronikgeräten haben ihre großen Versprechen nicht erfüllt und enttäuschen vor allem durch schlechte Bildqualität. Der Grund dafür ist, dass sie fast immer auf stereoskopischem 3D beruhen – eine Methode, bei der das menschliche Sehen ausgetrickst wird. Dabei entsteht der Eindruck von Tiefe jedoch, indem jedem Auge ein eigenes Bild des Objekts aus einem anderen Winkel vorgespielt wird. Das kann zu Kopfschmerzen oder Übelkeit führen, weil die Betrachter gezwungen sind, auf einen zweidimensionalen Bildschirm in etwas Entfernung zu blicken und gleichzeitig Bilder zu verfolgen, die sich vor ihnen zu bewegen scheinen. Natürlich ist auch 3D-Stereoskopie zuletzt besser geworden. Das am weitesten entwickelte System, das man heute kaufen kann, kommt von Oculus VR. Vergangenes Frühjahr hat Facebook das Unternehmen für zwei Milliarden Dollar übernommen. Oculus will den Nutzern mit seiner Technologie Spiel und Spaß in einer virtuellen Welt bieten.

(rot)