Unser Auge im All

Vor 25 Jahren startete das Hubble-Weltraumteleskop ins All. Aus dem anfänglichen Debakel wurde eine der größten Erfolgsgeschichten der Astronomie.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Philipp Hummel
  • Joseph Scheppach

Vor 25 Jahren startete das Hubble-Weltraumteleskop ins All. Aus dem anfänglichen Debakel wurde eine der größten Erfolgsgeschichten der Astronomie.

Es ist eine der spektakulärsten Strukturen im sichtbaren Universum: die „Pillars of Creation“ im Adlernebel. Diese „Säulen der Schöpfung“, rund 6500 Lichtjahre von der Erde entfernt, gelten als Brutstätte der Sterne. Aus wabernden Gasen, brodelnder Materie und feinsten Staubpartikeln formen sich ständig neue, sonnenähnliche Himmelskörper. Sie machen die gigantischen Materiewolken überhaupt erst sichtbar. Mit dem ersten Foto dieser Formation hatte das Weltraumteleskop Hubble 1995 für Aufsehen gesorgt.

Doch aus solchen fantastischen Entdeckungen wäre sprichwörtlich um Haaresbreite nichts geworden. Denn als das Weltraumteleskop 1990 in über 600 Kilometer Höhe seine Augen zum ersten Mal öffnete, waren Forscher und Ingenieure am Boden zerstört. Die Bilder, die die Kontrollstation an der Johns Hopkins University in Baltimore erreichten, waren milchig, als würde Hubble durch dichten Nebel blicken.

Eigentlich wollten die Hubble-Entwickler Nebel und anderen Störungen der Erdatmosphäre, die wichtige Anteile der Strahlung aus dem All filtert und verzerrt, mit einem Teleskop im All ja gerade ein Schnippchen schlagen. Um Hubble wieder ungetrübten Durchblick zu verschaffen, war zunächst „die komplizierteste Shuttle-Mission aller Zeiten“ nötig, wie der MIT-Professor und Astronaut Jeffrey Hoffman 2013 auf der Veranstaltung „Rescuing Hubble“ zum zwanzigsten Jahrestag des Einsatzes erzählte.

Denn zwei Monate nachdem die Raumfähre Discovery das Teleskop im April 1990 in seine Umlaufbahn gebracht hatte, stellten die Wissenschaftler fest, dass der Hauptspiegel des Teleskops um das Fünfzigstel einer Haaresbreite falsch geschliffen war. Schuld war ein fehlerhaftes Kalibrierungsgerät zur Vermessung des Spiegels.

Über drei Jahre später brach das Space Shuttle Endeavour im Dezember 1993 zu einer Reparaturmission ins All auf. Um Hubble noch zu retten, mussten Jeffrey Hoffman und seine Kollegen dem Weltraumteleskop eine
Art Brille aufsetzen. In fünf Außeneinsätzen installierten sie die Korrekturoptik Costar. Die Astronauten lösten dafür Hunderte Schrauben und zogen sie wieder fest – gefangen in ihren klobigen Raumanzügen, schwebend in 600 Kilometer Höhe. Doch die Anstrengung hat sich gelohnt. „Hubble ist heute hundertmal leistungsfähiger als zu Beginn der Mission“, sagt Richard Hook, der beim European Southern Observatory (Eso) in Garching die Aktivitäten des Teleskops koordiniert. Noch heute gilt es als das leistungsfähigste Teleskop der Welt.

Ab 1994 konnten Forscher mit ihm die Expansion des Universums untersuchen. Jeden Monat funkt Hubble rund 670 Gigabyte Beobachtungsdaten zur Erde. Beim Durchstöbern der Daten eröffneten sich den Forschern „ganz neue Bereiche der Astronomie“, so Hook. „Als Hubble gestartet ist, hatte noch niemand extrasolare Planeten entdeckt.“ Heute analysiert das Teleskop sogar die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre dieser Planeten – und hat dabei erstmals organische Moleküle nachgewiesen: Hinweise auf mögliches Leben im All. Außerdem fand man Hinweise auf ein Meer aus Salzwasser unter der eisigen Oberfläche des Jupiter-Mondes Ganymed. Hubble zeichnete zudem die Strahlung unzähliger Galaxien auf und kartierte sie. Die Geburt und den Tod von Sternen hat das Teleskop mit höchster Präzision beobachtet – vom UV- bis in den Infrarot-Bereich. Seine Instrumente waren zum ersten Mal Zeuge, wie ein Planet, der Jupiter, von einem Kometen getroffen wurde. Sie konnten die bis dato stärksten Hinweise auf Schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien liefern. Erst im März gelang Forschern mit seiner Hilfe zudem eine erneute Bestätigung für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie.

„Als Hubble gestartet wurde, lagen die fernsten Objekte, die wir sehen konnten, auf vielleicht halbem Weg zum Ursprung des Universums“, sagt Eso-Forscher Hook. Heute kann der 2,4 Meter große Spiegel Objekte ausmachen, die rund 13 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind und somit fast bis zum Urknall in der Zeit zurückblicken. Einzig die ersten 800 Millionen Jahre nach dem Urknall entziehen sich Hubbles Blick in Raum und Zeit. Damit wird das Teleskop seinem Namensgeber, Edwin Hubble, dem Entdecker des Urknalls, zwar nicht ganz gerecht. Doch ansonsten „ist es das erfolgreichste astronomische Instrument aller Zeiten“, schwärmt Hook über das elf Tonnen schwere und 13 Meter lange Observatorium.

Seine berühmten Farbbilder sind dabei eine rechnerische Kombination mehrerer Einzelaufnahmen verschiedener Wellenlängen. Sie hielten sogar Einzug in die Pop-Kultur: Eine Aufnahme des Stundenglasnebels zierte im Jahr 2000 das Cover des Pearl-Jam-Albums „Binaural“, ein Poster mit dem Bild hängt im Film „Illuminati“ in einem Labor des Teilchen-Forschungszentrums Cern und ziert in der TV-Serie „Big Bang Theory“ die Wand eines Büros.

Doch auch die längste Erfolgsgeschichte geht irgendwann zu Ende. Hubbles Nachfolge ist längst geregelt. 2018 soll das James-Webb-Teleskop starten und besonders im Infrarot-Bereich noch tiefer ins All blicken als je zuvor. Hubble wird zwischen 2021 und 2032 seinen Dienst quittieren und dann in der Erdatmosphäre verglühen. (jle)