Netzneutralität: Indien streitet über Facebooks Internet.org

Kostenloses Internet oder "ökonomischer Rassismus"? Facebooks Gratisangebot sorgt in Indien für heftigen Streit. Nun werden die Regulierer mit Eingaben überhäuft.

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Netzneutralität: Indien streitet über Internet.org
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Eigentlich hatte Facebook damit gerechnet, dass der Start seiner App Internet.org im Februar von den Indern breit begrüßt werden würde: Denn bereits heute hat die Plattform in dem Staat über 112 Millionen Nutzer und die Regierung ist bemüht, der Bevölkerung Internet-Zugänge zu verschaffen. Doch in den vergangenen Wochen ist Facebook ins Sperrfeuer einer Debatte über Netzneutralität geraten, die das Projekt in Indien in Frage stellt.

Internet.org ist Facebooks Versuch, sich in Ländern mit bisher unzureichender Internetabdeckung zu etablieren. Über die App ist eine auf das Land angepasste Auswahl von Internetseiten frei von Datengebühren abrufbar. In Indien gehören neben Facebook auch Microsofts Suchmaschine Bing, mehrere Medien und Job-Suchmaschinen, die Online-Enzyklopädie Wikipedia und ein Informationsangebot über Malaria dazu. Bis Ende des Jahres soll internet.org in 100 Ländern verfügbar sein.

Doch Facebook wurde damit zum Kristallisationspunkt einer Kampagne: Indische Internetaktivisten brachten im März die Webseite SaveTheInternet.in ans Netz, in der sie dazu aufrufen, eine Eingabe bei der Telecom Regulatory Authority (TRAI) zu machen. Die indische Regulierungsbehörde ist gerade im Konsultationsprozess, um eine Regulierung für "Over-The-Top"-Dienste zu verabschieden, in der auch Regeln zur Netzneutralität behandelt werden. Ähnlich wie John Oliver in den USA konnte die Comedy-Gruppe All India Bakchod viele indische Nutzer für das eher trockene Thema mobilisieren. Mittlerweile sollen diese mehr als eine Million E-Mails an die TRAI gesendet haben.

Marc Zuckerberg versucht der Kritik zu begegnen. "Streitigkeiten zur Netzneutralität sollten nicht verhindern, dass die am meisten benachteiligten Menschen Zugang bekommen", schreibt der Facebook-Gründer. Ein eingeschränkter Internetzugang sei besser als keiner. Auch würden für internet.org keine Überholspuren im Netz aufgebaut, die Initiative sei für alle Mobilfunkprovider offen.

Doch dieses Argument fruchtete nicht. Inzwischen haben sich mehrere Kooperationspartner von Internet.org distanziert und schlossen sich der Kampagne für Netzneutralität an. Der indische Investor Mahesh Murthy warf Facebook gar "ökonomischen Rassismus" vor. Auch das indische Parlament will sich nun mit dem Thema befassen.

Facebook ist nicht alleine in der Kritik. So werfen indische Netzaktivisten auch Google und Twitter vor, ähnlich gegen Netzneutralität zu verstoßen. Besonders in der Kritik ist Indiens größter Mobilfunkprovider Airtel, der damit begonnen hat, das "Zero-Rating" in sein normales Geschäftsmodell zu integrieren. So können sich Firmen über Airtel Zero den kostenlosen Zugang zu einer Webseite oder einer App beim Mobilfunkprovider erkaufen. Erst im Dezember hatte der Provider nach öffentlicher Kritik Pläne aufgegeben, für Dienste wie Skype Sonder-Gebühren zu erheben. (anw)