Vor 45 Jahren: Das CeBIT öffnet in Halle 1

Wer diese Halle betritt, lässt alle Hoffungen fahren, witzelten viele, als 1970 das "Centrum für Büro- und Informations-Technik" eröffnet wurde.

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Vor 45 Jahren: Das CeBIT öffnet in Halle 1

Das natürliche Habitat des frühen PC war die Halle 1.

(Bild: Messe AG)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Am 25. April 1970 wurde auf der Hannover Messe im Beisein von Bundeskanzler Willy Brandt (Video) das "Centrum für Büro- und Informations-Technik" in der neuen Halle 1 eröffnet. Die Messehalle war die modernste der Welt und zeitweilig auch die größte ihrer Art. In ihrem Labyrinth verloren Besucher auf dem Weg von 4f2 nach 5e2 und anderswohin die Orientierung, Journalisten die Fassung und Aussteller die Visionen. Ein Geburtstagsständchen.

Frühzeitig füllte die Computertechnik auf der Hannover-Messe die Hallen. Firmen wie Siemens, Honeywell und IBM belegten große Standflächen. Im Jahre 1969 beschloss deshalb die Messeleitung, eigens für die neue Technik zwei Hallen zu errichten, eine Elektronikhalle für 24 Millionen DM und anstelle der ehemaligen Halle 17 die Halle 1. Der 60 Millionen Mark teure Bau sollte das "Centrum für Büro- und Informationstechnik" (CeBIT) der Hannover Messe beherbergen.

Mit der Konstruktion der Halle wurde der Hannoveraner Architekt Ernst Friedrich Brockmann beauftragt, der zuvor auf dem Gelände schon das Leuchtenhochhaus und die Europahalle gebaut hatte. Diese längst wieder abgerissene Halle 9 war eine Multifunktionsanlage für Messen und Sportwettbewerbe, wie es die heutige Europahalle (Halle 2) ist.

45 Jahre Halle 1: Keimzelle der CeBIT (12 Bilder)

Messegelände von oben

Im Vordergrund die Halle 1 mit den markanten "Trelementen" auf dem Dach. Die Parkhäuser an der Nordseite (im Bild unten) kamen später dazu. Die 1969 gebaute Halle sollte der Bürotechnik auf der Hannover Messe eine neue Heimat geben. (Bild: Ballon-sz.de / CC BY-SA 2.0 de )

Brockmann ständerte gerne seine Gebäude und so bekam Halle 1 ein Untergeschoss mit 2000 Parkplätzen für die Aussteller, die über ihren Autos auf 52.000 m² Ausstellungsfläche (10 Fußballfelder, etwas kleiner als das Saarland) Informationstechnik zeigen konnten. Insgesamt ist Halle 1 mit integriertem Kongress- und Pressezentrum sowie den Restaurants 81.220 m² groß und schaffte es damit 1984 ins Guiness-Buch der Rekorde.

Auf dem Dach sollten nach den Plänen von Brockmann die Besucherparkplätze sein, doch der damalige Messechef Ernst Pätzold intervenierte. Er hatte die Idee, dort eine Wohnanlage für Aussteller zu errichten, damit diese sich abends nicht mehr in die Innenstadt quälen mussten und sich so schneller erholen konnten vom Messestress – der Messeschnellweg wurde parallel zur Halle 1 gebaut.

Bauherr Pätzold wollte 1000 kleine Bungalows auf dem Dach installieren, ohne dass das Ganze den Eindruck eines Barackendorfes für Flüchtlinge hatte. Die Lösung fanden die Messeleute im Trelement-System der Goslarer Firma Junior, die damit hauptsächlich Kindergärten baute. Die schicken Sechs-Ecken-Schlafwaben wurden den Ausstellern für 10 bis 15.000 DM angeboten, dazu mussten sie das "Grundstück" auf der Halle kaufen.

750 Trelemente wurden so installiert. Größter Käufer war Siemens mit der Trelement-Nr. 1337 im G-Sektor. Zum Schlafen wurden die Trelements indes kaum genutzt, vielmehr residierte hier das gehobene Management der Firmen, während unter ihnen Besucher durch die Riesenhalle irrten.

Im Eröffnungsjahr 1970 waren die Wilhelmshavener Olympia Werke AG als Weltmarktführer der größte Aussteller und stellten ihr EDV-System Multiplex 80 auf der Basis der PDP-8 von DEC vor. Im Unterschied zu anderen Messehallen mieteten die Hersteller nicht ihre Standfläche an und bauten dann ihren Stand auf, sondern kauften Grundfläche und konnten dort feste Einbauten errichten. So entwickelte sich eine Standkultur eigener Art, die die Steuerberater-Genossenschaft DATEV (seit 1974 dabei) in ihrem Blog dokumentiert.

In der Halle 1 wurden viele wichtige DV-Systeme vorgestellt, etwa die Nixdorf 880 oder die Workstations der Firma Sun Microsystems. Die immer stärker wachsende IT-Branche brachte es mit sich, dass weitere Hallen mit DV-Produkten gefüllt wurden. So kam es, dass sich die Messeleitung für die Auslagerung entschied. 1986 war das Centrum für Büro- und Informationstechnik Geschichte und es entstand die CeBIT als eigenständige IT-Messe abseits der Hannover-Messe.

Auf der CeBIT spielte die Halle 1 weiterhin eine wichtige Rolle, zumal die abgewanderte Büromöbelschau durch Neuheiten in der Kommunikationstechnik ersetzt werden konnten, etwa durch schnurlose Telefone. Das Zauberwort ISDN für die Integration von Rechnern und Telefonen gehörte dazu und schließlich auch das Internet. Als 1995 das Internet Phone von Vocaltec am Stand von Unisys vorgestellt wurde, jubelte Unisys über den Aufbau eines völlig neuen Geschäftsbereiches. Danach wuchs zwar die CeBIT Jahr um Jahr bis zur Rekordmesse von 2001, doch die Halle 1 geriet etwas ins Abseits, weil die Besucherströme zu den Ständen neuer Superfirmen wie Mannesmann oder Nokia pendelten.

Als die CeBIT 2006 ihren 20. Geburtstag als eigenständige Messe feierte, kam das CeBIT noch einmal zu einem Glanz wie in alten Zeiten, da sich ein Walk of Fame durch die ehrwürdige Halle 1 schlängelte, mit wichtigen Exponaten aus der IT-Geschichte bestückt. Doch schon zu dieser Zeit begann die Messegesellschaft mit der Neukonzeption der Messe zu befassen. So wurde 2007 bekannt, dass Halle 1 geräumt wird, was dann im nächsten Jahr passierte. Heute wird die Halle nicht mehr für die CeBIT benutzt, wenngleich Firmen wie IBM noch Grundstücksanteile an ihr besitzen. (vbr)