Goldrausch in "Liberland"

EU-kritisch, Steuer-kritisch, 300.000 Untertanen: Ein neoliberaler Tscheche gründet einen Staat und alle wollen dabei sein.

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Nationalflagge von Liberland
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Von
  • dpa

Man sieht Vit Jedlička kaum an, dass er gerade den jüngsten "Staat" Europas gegründet hat. Zu seinem hellblauen Anzug trägt er Pantoffeln, während er auf der Terrasse seiner Wohnung schwärmend von Liberland erzählt. Das ist eine sieben Quadratkilometer große Fläche zwischen Kroatien und Serbien. Jedlička hat sie kurzerhand für sich reklamiert.

In der Prager Wohnküche des 31-Jährigen herrscht seither Aufregung. "Gerade hat Al-Dschasira angerufen", sagt ein Helfer. Auch Sender aus den USA und China wollen mit dem "Staatsgründer" sprechen. Jedlička gibt per Videokonferenz Auskunft. "Kroatien und Serbien konnten sich nicht einigen, also habe ich das Land genommen", sagt er. Sein Satirestaat "Liberland" hat eine gelb-schwarze Nationalflagge, eine Hymne und ein Motto. Es heißt "Leben und leben lassen". Eine Polizei wird er trotzdem benötigen: Die Flagge wurde schon geklaut.

"Liberland" liegt in einer Schleife der Donau – genau zwischen Serbien und Kroatien.

(Bild: Liberland.org)

Das offizielle Belgrad gibt derweil Gelassenheit vor. "Die Grenze verläuft in der Mitte der Donau, so dass der 'neue Staat' nicht auf serbischem Territorium liegt", sagte ein Sprecher des Außenministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Kroatische Diplomaten sprachen im Sender B92 von "virtuellen Grenzverletzern", da "Liberland" bislang praktisch nur im Internet existiere.

Der "achte Nachfolgestaat" Jugoslawiens liegt vorgeblich in einer Donauschleife nahe dem Dorf Zmajevac im Nordosten Kroatiens. "Wir waren dort, es ist ein herrliches Stück Land mit einem 300 Meter langen Sandstrand", sagt Jedlička. Er träumt von einem neoliberalen Fantasieland, mehr als dreimal so groß wie Monaco. "Ich habe immer mit hohen Abgaben und übermäßiger Regulierung gekämpft", sagt er. Bei ihm seien Steuern freiwillig.

Inspiration findet Jedlička, Mitglied der EU-skeptischen Partei freier Bürger (SSO), bei den Gründervätern der USA und der Tea-Party-Bewegung. "Dass tschechische und deutsche Steuerzahler EU-Subventionen für Hotels und Luxusjachten finanzieren müssen, ist unmoralisch und nicht länger zu rechtfertigen", meint er.

Über ein Internetformular können Gleichgesinnte die sogenannte Staatsbürgerschaft von "Liberland" beantragen. Und es gibt deren viele. "300.000 Menschen wollen bei uns Bürger werden – also sind wir schon eine Nation", sagt Jedlička mit gespielt ernster Miene. Er stellt nur eine Bedingung: Kommunisten, Gegner des freien Marktes und religiöse Fanatiker sind demnach nicht willkommen.

Geld ist für Jedlička im Moment kein Problem. Die Spenden strömen über Bitcoin und Paypal herbei. Doch was ist, wenn Kroatien oder Serbien angesichts der Satire auf ihre Kosten doch keinen Spaß mehr verstehen? Und Armee oder Polizei in Marsch setzen? Vorsorglich will Jedlička kommende Woche bei den Balkanbotschaftern in Prag "diplomatische Noten" überreichen. Er betont: "Wir wollen nur, dass sie unser Territorium in Ruhe lassen." (it)