Das intelligente Velo: Smartphone auf zwei Rädern

Radeln mit Elektro-Unterstützung reicht nicht mehr. Start-ups basteln am vernetzten, intelligenten Velo.

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Valour-Bike von Vanhawks
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans Dorsch

Wer sein Fahrrad mit elektronischen Helfern aufrüsten wollte, musste bisher einen ganzen Verschlag an Kabeln und Halterungen an seinem Lenker unterbringen. Start-ups machen sich nun daran, Elektronik aus einem Guss ins Bike zu integrieren, meldet das Magazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 5/2015 (am Kiosk oder online zu bestellen).

Der Bedarf an digital hochgerüsteten Rädern ist offenbar groß. Das kanadische Start-up Vanhawks beispielsweise hat mit seinem vernetzten Carbon-Rad die erfolgreichste kanadische Crowdfunding-Kampagne hingelegt. 800 Unterstützer haben über Kickstarter bereits 800.000 Dollar vorgestreckt, professionelle Investoren noch einmal 1,6 Millionen draufgelegt. Das Bike namens Valour soll 1250 Dollar kosten, in diesem Frühjahr auf den Markt kommen und ein ideales Pendlerrad sein. Per Bluetooth kann eine Navigations-App Daten vom Smartphone an das Bike schicken, farbige LEDs am Lenker zeigen dann die Richtung zum Abbiegen an. Ultraschallsensoren an der Hinterachse melden, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zu nahe kommt; der Lenker vibriert dann zur Warnung.

Routinierte Radler mögen so etwas für Schnickschnack halten. Doch die sind auch gar nicht die Zielgruppe. „30 Prozent der Unterstützer besitzen überhaupt kein Fahrrad“, berichtet Vanhawks-Gründer Ali Zahid.

Der Hersteller Canyon stellte gemeinsam mit der Deutschen Telekom das Konzeptrad MRSC Connected vor. Im Rahmen fest eingebaut sind GPS-Sensor und ein Rechner mit integriertem Mobilfunkmodul. Dazu gibt es Bewegungssensoren am Lenker und an den Federelementen. So können „magnetorheologische“ Stoßdämpfer aktiv auf Rüttelpisten reagieren. Elektromagneten verändern dabei die Ausrichtung magnetischer Teilchen in der Dämpferflüssigkeit und beeinflussen so deren Viskosität. Das erste Konzeptbike war ein sportliches Rennrad, die Weiterentwicklung soll eher Richtung Alltagsmodell gehen.

Auch Andreas Gahlert, Alltagsradler und Inhaber einer Internetagentur, wünschte sich eine nahtlose Integration aller Elektronik-Komponenten. Allerdings wollte er dafür nicht das komplette Rad neu erfinden. Also entwickelte er eine Steuereinheit namens Cobi („Connected Bike“). Auch sie war ein Riesenerfolg bei Kickstarter. 1872 Unterstützer legten mehr als 400.000 Dollar zusammen.

Die Basis bildet eine Art Docking Station („Hub“) für das Smartphone. Sie wird fest am Lenker montiert und enthält Scheinwerfer, Lautsprecher, einen Akku sowie Anschlüsse zur Motorsteuerung von E-Bikes. Doch die eigentliche Innovation ist eine Smartphone-App, die sich per Bluetooth mit dem Hub verbindet. Sie integriert rund 100 Funktionen, für die bisher eigene Geräte oder Apps nötig waren: Navigation, Wettervorhersage, Telefonieren, Musik, Fitnessfunktionen und, und, und. Der Radler kann alles per Daumenschalter bedienen, ohne die Hände vom Lenker zu nehmen.

Die Nachrüstlösung gibt es ab 159 Euro. Gahlert hofft, Cobi auch als Originalausrüstung bei Neurädern etablieren zu können. Schon kurz nach dem Start der Crowdfunding-Kampagne im Dezember 2014 erhielten er und seine Partner über 240 Anfragen von Antriebs- und Fahrradherstellern – darunter praktisch alle Großen. Ein Mountainbike-Hersteller bietet Cobi ab Herbst als Ausstattungsoption für E-Mountainbikes an, ein Stadtradhersteller macht dasselbe für seine klassischen Fahrräder. (grh)