Twitter sucht Kunden und Nutzer

Jede Sekunde wird Twitters Ware ranzig: Jede Menge unverkaufte Werbeflächen. Nun wird sogar Mitbewerber Google um Hilfe gebeten. Und auch der Userzustrom lässt zu wünschen übrig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 66 Kommentare lesen
Leere Plastikflaschen mit Twitter-Logo

Schwach wie eine Flasche leer: Twitter musste seine Geschäftsprognose für das laufende Jahr senken.

(Bild: Marisa Allegra Williams)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

74 Prozent Umsatzzuwachs hat Twitter im ersten Quartal verzeichnet. Das klingt vielleicht nach viel, aber die 436 Millionen US-Dollar liegen nicht nur unter Twitters eigener Prognose, sondern noch deutlicher unter den Erwartungen der Analysten. Gleichzeitig ist Twitters Nettoverlust um 23 Prozent gestiegen.

So zeigt Twitter den Kursverlauf der eigenen Aktie seit Monatsbeginn.

(Bild: Screenshot Twitter.com)

Dienstagfrüh war die Twitter-Aktie mit 52,14 US-Dollar in den Handel gestartet. Das entsprach dem 137-fachen des Jahresgewinns je Aktie, wie ihn 39 Finanzanalysten im Durchschnitt erwartet hatten.

Am Ende des nachbörslichen Handels blieben noch 41,58 Dollar, ein Absturz um gut 20 Prozent. Dazwischen lagen die verfrühte Preisgabe der Quartalszahlen, ein zwischenzeitlich ausgesetzter Handel des Wertpapiers, und weitere schlechte Nachrichten in der üblichen Telefonkonferenz mit Finanzanalysten. Allen voran wurde die Umsatz- und Ergebnisprognose für das laufende Jahr gesenkt.

Twitter zeigt erfrischend wenig Werbung – allerdings unfreiwillig. CEO Dick Costolo möchte, dass im Schnitt jeder 20. Tweet bezahle Reklame ist. Damit würde Twitter wohl einen hübschen Profit machen, doch die Plattform ist meilenweit von diesem Ziel entfernt. Die Nachfrage der Werbekunden ist einfach nicht da. Insbesondere Twitters Direktmarketing-Produkt erfüllte die vom Management gesetzten Erwartungen nicht.

Zwar ermöglicht Twitter die direkte Ansprache seiner User, wenn der Werbetreibende Identifikationsmerkmale des Users hat, etwa E-Mail-Adresse oder Telefonnummer. Der Zuschnitt auf allgemeinere Zielgruppen ist aber im Vergleich zu Facebook beschränkt. Zudem gibt es Defizite beim Nachweis, wie wirksam geschaltete Werbung ist (sogenannte Attribution). Die nackten Clickraten sind bescheiden.

Nun hat Twitter sogar Mitbewerber Google um Hilfe gebeten. Dessen Werbetochter DoubleClick soll ab Mai Twitter-Werbeflächen feilbieten und den Direktmarketern Daten über die Wirkung liefern. Dafür muss Twitter natürlich einen Teil des Umsatzes abgeben, und DoubleClick erhält tiefen Einblick in das Geschäft.

Costolo hat 2010 in das Startup TellApart investiert. Bald gehört es Twitter.

Twitter will außerdem die kalifornische Firma TellApart übernehmen. Sie ist spezialisiert darauf, User über mehrere Endgeräte hinweg zu verfolgen. So kann dem User immer wieder die gleiche Werbung vorgesetzt werden. Vorzugsweise Werbung für etwas, das er bereits gekauft hat, oder ein Produkt, das er sich in einem Online-Shop irrtümlich angesehen hat.

Dieses "Retargeting" ist im Reklamebusiness derzeit besonders begehrt. Wenn Twitter zeigen kann, dass ein Nutzer ein auf Twitter beworbenes Produkt zu einem späteren Zeitpunkt doch noch gekauft hat, könnte Twitter dafür eine Provision verlangen. Costolo ist übrigens Teilhaber von TellApart. Er hat dort 2010 Wagniskapital investiert.

Außerdem arbeitet Twitter neuerdings mit Yahoo Japan und Flipboard zusammen, die Werbetweets weiterverbreiten sollen, sowie mit Apple. Ähnlich wie Google soll es Tweets in seine SearchLight-Suchergebnisse aufnehmen.

Sollte es Costolo gelingen, die Reklamedichte deutlich zu steigern, könnte das der Begeisterung der User schmälern. Also muss auch die Schar der Nutzer vergrößert werden, damit dann genügend Augenpaare bei der Stange bleiben. Zuletzt hatte Twitter 18 Prozent mehr monatliche aktive User als vor einem Jahr. Doch wie intensiv diese Aktivität ist, verrät Twitter nicht mehr.

Zwar berichtete Costolo von mehr Tweets, mehr Suchen und mehr Direktnachrichten, ohne jedoch konkrete Angaben zu machen. Die Kennzahl "Timeline Views" fehlt in den Quartalszahlen. "Wir beachten (die Timeline Views) intern nicht", meinte Costolo, "Wir machen sogar Dinge, die (dieser Kennzahl) schaden, und das war einer der Gründe, warum wir sie gestrichen haben."

Und dann kam auch noch eine schlechte Nachricht: Der Zustrom neuer Augenpaare hat nachgelassen. Finanzchef Anthony Noto gestand in der Telefonkonferenz "Gegenwind" ein. "Wir haben einen schwachen Start im April (...) und der Trend ähnelt dem ersten Quartal nicht." Daraufhin gab die Twitter-Aktie nachbörslich weiter nach. (ds)