Ich zwitscher' Dir was
Die App zzZwitscherwecker fordert Morgenmuffel mit einem Vogelstimmen-Quiz heraus. Eine Anwendung für von der Natur entfremdete Großstädter? Vielleicht. Doch deutlich wird damit, welches Potenzial in Open Cultural Data liegt.
Die App zzZwitscherwecker fordert Morgenmuffel mit einem Vogelstimmen-Quiz heraus. Eine Anwendung für von der Natur entfremdete Großstädter? Vielleicht. Doch deutlich wird damit, welches Potenzial in Open Cultural Data liegt.
Zugegeben: Dass ich morgens von Vogelgezwitscher geweckt wurde, ist bisher nicht so häufig vorgekommen. Meine Straße ist zwar gesäumt mit Bäumen, doch sollte es darin tirilieren, wird das von den startenden Motoren der anderen Berufstätigen überdeckt. Der Vorwurf, dass man als durchschnittlicher Großstadt-Mensch die einzelnen Vogelstimmen nicht mehr den jeweiligen Arten zuordnen kann, trifft dabei leider auch auf mich zu. Diesem Missstand kann ich seit geraumer Zeit – zumindest in Ansätzen – mit der App zzZwitscherwecker (für Android) beikommen.
Zur eingestellten Weckzeit zwitschert eine Vogelstimme aus dem Smartphone. Will man den frühen Vogel zum Schweigen bringen, muss aber erst die richtige Art erraten werden. Vier Vogelbilder stehen zur Auswahl. Ist die Zuordnung eines zarten Stimmchen bei der Auswahl zwischen Uhu, Specht, Elster und Rotkehlchen noch einfach, wird es schwieriger etwa zwischen Zilpzalp, Nachtigall, Stieglitz und Fitis. Morgens also blind auf die Schlummer-Taste zu drücken, lässt diese App nicht durchgehen.
Die kostenlose Anwendung ist eines der Ergebnisse des Kultur-Hackathons Cod1ng da V1nc1 2014, einem Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Servicestelle Digitalisierung Berlin, der Open Knowledge Foundation Deutschland und Wikimedia Deutschland. Die Vogelstimmen kommen vom Museum für Naturkunde Berlin. 15 weitere Kulturinstitutionen stellten schwer zugängliche Daten wie Bilder, Karten, Videos und Metadaten unter einer offenen Lizenz zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung. Die Idee, für diese Datensätze Apps, Web-Anwendungen oder Hardware zu entwickeln, die die Informationen auch außerhalb der Kultureinrichtung bereithalten, hat im vergangenen Jahr 150 Teilnehmer angelockt. Darunter Coder, Designer, Gamer und generell Kulturbegeisterte.
Neben dem zzZwitscherwecker entstand unter anderem die Website „Inside 19xx“, die sich der verbrannten und verbannten Literatur im Nationalsozialismus widmet. Die Daten kamen vom Land Berlin und der Deutschen Nationalbibliothek. Mithilfe von frei nutzbaren Storytelling-Formaten hat das neun-köpfige Projektteam außerdem die Lebensläufe von zwei betroffenen Autoren, Annette Kolb und Erich Kästner, interaktiv aufbereitet. Der Cyberbeetle ist ein weiteres Beispiel für die Hackathon-Ergebnisse: Dem im Berliner Museum für Naturkunde ausgestellten Chalcosoma Atlas-Käfer wurde dabei neues, digitales Leben eingehaucht, so dass er als Roboterkäfer in seiner kleinen Hightech-Box umherkrabbelt. Für seine Fortbewegung sorgen eine kleine Arduino-Plattform sowie elektronische und mechanische Einzelteile. Um ihm ein heimisches Umfeld zu liefern, ist in der Innenwand der Box ein Screen integriert, worauf sich Videos über Tiere und Pflanzen abspielen lassen.
Auch in diesem Jahr wurde der Kultur-Hackathon Cod1ng da V1nc1 ausgerufen. Dass sich diesmal die Zahl der teilnehmenden Kultureinrichtungen mehr als verdoppelt hat, zeigt die Offenheit der Museen, Sammlungen und Galerien: In der neuen Form der digitalen Anwendung können sie ihren Inhalten einen Mehrwert verleihen und für alle Interessierten präsentieren. Cod1ng da V1nc1 schwimmt damit im Fahrwasser des Open-Data-Prinzips und die Kultureinrichtungen erkennen darin eine Chance, die Menschen (wieder) für Museen zu begeistern. Außerdem bestätigt sich einmal mehr, dass sich Kultur und Technik nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig bedingen.
Während mir morgens der Buchfink auf dem Smartphone vorzwitschert und ich beim täglichen Quiz immer besser werde, bin ich gespannt darauf, welche neuen Digitalisate bei der öffentlichen Preisverleihung des Cod1ing da V1inc1 am 5. Juli in Berlin vorgestellt werden. Ach ja, der nächste Museumsbesuch ist auch bereits eingeplant. (jle)