BND-Skandal: Kooperation mit der NSA angeblich drastisch eingeschränkt

Angesichts des jüngsten Spionageskandals verlangt der BND angeblich für jeden einzelnen Selektor zur Internet-Überwachung eine Begründung von der NSA. Das kommt einem Ende dieser Kooperation gleich. Unterdessen sieht sich Thomas de Maizière entlastet.

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BND-Skandal: Kooperation mit der NSA angeblich drastisch eingeschränkt
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  • dpa
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Als Reaktion auf die neuerliche Spionageaffäre hat der Bundesnachrichtendienst die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA angeblich drastisch eingeschränkt. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR werden seit Beginn dieser Woche in der Station in Bad Aibling keine Internet-Verkehre, die bislang an den US-Geheimdienst weitergeleitet wurden, mehr erfasst.

Wie es weiter heißt, habe der BND in Absprache mit dem Kanzleramt zuvor eine Forderung an die USA übermittelt: Zu jeder Person oder Institution, die die NSA an die Deutschen übermittelt, müsse eine ausdrückliche Begründung für die Überwachung geliefert werden. Die Aufforderung sei eine Reaktion auf die jüngsten Enthüllungen gewesen, wonach der BND der NSA über Jahre geholfen haben soll, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Nach kurzer Prüfung habe die NSA erklärt, keine Begründungen liefern zu können. Dies sei in kurzer Zeit kaum möglich. Mit dem Ende der Internet-Erfassung würden im bayerischen Bad Aibling, wo 120 Mitarbeiter des BND sowie einige NSA-Techniker arbeiten, nur noch Fax-Verkehre und Telefongespräche abgefangen. Anders als bei Internet-Suchbegriffen habe die NSA hierfür bereits in der Vergangenheit eine Begründung für die geplante Überwachung liefern müssen, heißt es in diesem Bericht weiter.

Derweil hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch alle im Rahmen des Skandals erhobenen Vorwürfe von sich gewiesen. Er habe 2008 in seiner Zeit als Kanzleramtsminister nicht persönlich von Details zu unzulässigen Spähversuchen der Amerikaner mit Hilfe des BND erfahren, sagte er nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags. Vielmehr habe er den USA damals sogar den Wunsch nach einer anderen problematischen Geheimdienst-Zusammenarbeit abgeschlagen.

Linke und Grüne sehen de Maizière aber keineswegs entlastet. Er war von 2005 bis 2009 Kanzleramtschef. Der BND informierte das Kanzleramt bereits 2008 über unzulässige US-Spähversuche. De Maizière erklärte, ihn persönlich hätten damals aber keine Hinweise auf Wirtschaftsspionage erreicht. "Ich habe als Kanzleramtsminister im Jahre 2008 nichts erfahren von Suchbegriffen der US-Seite, Selektoren oder ähnlichem zum Zwecke der Wirtschaftsspionage in Deutschland", sagte er. "Es wurden auch keinerlei Firmennamen genannt."

2008 hätten die Amerikaner eine problematische Ausweitung der Kooperation gewollt. De Maizière deutete an, die NSA habe dabei bestimmte "Sicherungsmechanismen" fallen lassen wollen. Nach dpa-Informationen sollen die Amerikaner Zugang zu einem Datenkabel in Europa angestrebt haben. De Maizière nannte keine Einzelheiten. Er sagte lediglich, der BND habe von einer solchen Kooperation abgeraten, und die Regierung habe das Anliegen daher abgeschlagen. "Von daher bleibt von den gegen mich erhobenen Vorwürfen nichts übrig."

Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, André Hahn (Linke), nannte die Äußerungen de Maizières dagegen "ungenügend". Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte: "Die Aufklärung des Falls des Ministers de Maizière ist noch offen." Das Kontrollgremium und der NSA-Untersuchungsausschuss hatten dringend Einsicht in die Liste mit den Tausenden unzulässigen US-Spähzielen verlangt. Mehrere Abgeordnete hatten dazu ein Ultimatum bis zu diesem Donnerstag gestellt und andernfalls mit einer Klage gedroht.

Die Bundesregierung wartet aber auf eine Erlaubnis der Amerikaner und will sich vorerst nicht darüber hinwegsetzen. Das teilte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) den Abgeordneten im Kontrollgremium und im NSA-Ausschuss am Mittwoch mit. "Wir haben ein großes Interesse, die Aufklärung voranzutreiben", sagte Altmaier trotzdem. "Die Bundesregierung mauert", erwiderte der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz. Die Linke-Obfrau Martina Renner sagte: "Aufklärung funktioniert so nicht."

Die Opposition wollte in den nächsten Tagen de Maizière, Altmaier und weitere frühere Kanzleramtschefs vor den NSA-Ausschuss zitieren und hatte dazu zwei Sondersitzungen beantragt - für diesen Freitag und kommenden Mittwoch. Dazu werde es aber wohl nicht kommen, sagte Renner. Die Obleute von Union und SPD hätten dies abgelehnt.

Die Mitglieder des Kontrollgremiums beschlossen zudem, dem BND demnächst einen Besuch abzustatten, um sich selbst ein Bild vom Umgang mit den US-Suchmerkmalen zu machen. Zu dieser Praxis will der NSA-Ausschuss an diesem Donnerstag auch mehrere Mitarbeiter befragen. (mho)