Augmented-Reality-Brille HoloLens macht schnelle Fortschritte

Bei ersten Vorführungen war Microsofts Holografie-Einheit noch riesig und per Kabel mit Computern verbunden. Jetzt konnten Reporter das neuartige Sichtgerät erstmals in einem integrierten Format ausprobieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Rachel Metz

Bei ersten Vorführungen war Microsofts Holografie-Einheit noch riesig und per Kabel mit Computern verbunden. Jetzt konnten Reporter das neuartige Sichtgerät erstmals in einem integrierten Format ausprobieren.

Microsoft macht gute Fortschritte mit HoloLens, seinem neuen Gerät, das man vor den Augen tragen kann, um die Realität mit virtuellen Objekten in 3D anzureichern.

Das Unternehmen hofft darauf, dass seine Holografie-Brille zur nächsten großen Computing-Plattform wird, mit Anwendungen von Videospielen über Design und Bildung bis zu Architektur. Wann sie auf den Markt kommt, ist noch nicht bekannt, nur dass es "zeitnah zu Windows 10“ sein soll. Das Betriebssystem wird für diesen Sommer erwartet, der genaue Zeitpunkt ist aber offen.

Bei einer Pressevorführung in diesem Januar im Microsoft-Hauptquartier in Redmond sah HoloLens aus wie eine voluminöse schwarze Skibrille. Reporter, die das System ausprobieren durften, bekamen dann allerdings nicht dieses schicke Gerät aufgesetzt, sondern ein viel gröberes, das per Kabel mit einem Computer und einer so genannten holografischen Berechnungseinheit verbunden war. Ich selbst war bei diesem Termin auch dabei.

Zu seiner Softwareentwickler-Konferenz Build Ende April in San Francisco aber brachte Microsoft jetzt Hunderte von integrierten HoloLens-Brillen mit, die genauso aussahen wie das schwarze Demo-Gerät mit roten Akzenten aus dem Januar. Teilnehmer sollten sie testen und so dazu motiviert werden, Anwendungen für HoloLens zu schreiben.

Am Rande der Konferenz konnten auch Journalisten sehen, wie weit Microsoft inzwischen gekommen ist. Zusammen mit einigen Dutzend anderer Reporter nahm ich an einer 90-minütigen Demo in einem Hotel in San Francisco teil, bei der wir selbst eine einfache App für das Gerät entwickeln sollten. Wobei „entwickeln“ etwas übertrieben ist: Wir stellten nur vorgefertigte Elemente wie Scripts und 3D-Objekte zusammen und wählten bestimmte Interaktionsmöglichkeiten wie Gesten- und Sprachsteuerung dafür aus.

Jeder Teilnehmer saß vor einem Computer, und jeweils zwei Reporter teilten sich einen Microsoft-Betreuer, der zur Unterstützung zwischen ihnen saß. Auf einer kleinen Bühne in der Mitte des Raumes erklärten Mitglieder des HoloLens-Teams, dass wir eine App namens Project Origami zusammenstellen sollten, bestehend aus mehreren Origami-artigen Objekten (bunte Papierflugzeugen, Kisten oder Kugeln) über einer Basis, die wie ein Papierstapel aussieht.

Bevor wir uns an die App-Arbeit machten, bekam jeder einen HoloLens-Prototypen überreicht – in matten Schwarz, mit weichen, gummiartigen Seiten und hinten einem kleinen Rad zur Anpassung an den Kopfumfang.

Das war ein großer Fortschritt gegenüber dem unbequemen verkabelten Prototypen, den ich sechs Wochen zuvor getragen hatte. Microsoft war inzwischen also weit gekommen in seinem Bemühen, einen Haufen Technik in ein voluminöses, aber nicht unbequemes Headset zu stopfen.

Als wir damit begannen, die App zusammenzustellen, wurde mir klar, wie viele Elemente bei der Entwicklung von Software für ein Gerät wie HoloLens zusammenkommen müssen.

Für unsere Apps nutzten wir ein verbreitetes Werkzeug zur Spiele-Entwicklung namens Unity. Wir platzierten die Origami-Objekte dort, wo sie später mit HoloLens zu sehen sein sollten, fügten einen über die Blickrichtung kontrollierten Cursor und Sprachbefehle hinzu und stellten ein, dass die 3D-Objekte mit Gegenständen in der realen Umgebung interagieren (so dass beispielsweise eine Kugel über einen echten Kaffeetisch rollen kann). Außerdem sahen wir vor, dass sich die Audio-Untermalung mit der Position und dem Geschehen in der jeweiligen Szene verändert.

Bei jeder neu aufgenommenen Funktion exportierten wir die App von Unity in das Microsoft-Entwicklerprogramm Visual Studio und luden sie dann auf HoloLens, um zu prüfen, wie sich die Änderung auswirkte.

Am Ende hatten wir eine einfache, aber funktionierende App: Papierflugzeuge und Blöcke, die auf einem Notizbuch lagen, über ihnen schwebend zwei kugelförmige Objekte (eines mit Ähnlichkeit zu einer Papierkugel, das andere mit vielen Seiten und Farben, in etwa wie ein Stern). Ich fixierte meinen blickgesteuerten Cursor – einen roten Kreis – auf den Ball, äußerte meinen vorher gewählten Sprachbefehl („Nicht fallenlassen!“), dann fiel der Ball herunter und traf mit einem Geräusch von Papierrascheln auf das Notizbuch, um anschließend abzuprallen und gegen das nächste reale Objekt zu rollen. Wenn ich „Welt zurücksetzen“ sagte, kam alles wieder an seinen Ausgangspunkt. Außerdem konnte ich das gesamte Arrangement mit einer Finger-Geste an einen anderen Ort im Raum verschieben.

Ich platzierte die Objekte auf einem Sofa in der Nähe, und die Bälle rollten in seine Ecken. Als mein Betreuer beide Fäuste in die Polster drückte, rollten die Bälle in die so entstandenen Vertiefungen.

Um es deutlich zu sagen: Die Bilder, die ich sah, unterschieden sich nicht von denen bei der Vorführung im März. Sie schienen ähnlich scharf und hell zu sein, und der Sichtbereich des HoloLens-Headsets war nicht größer als zuvor. Auf jeden Fall sah nichts in irgendeiner Weise schlechter aus. Das ist eine echte Leistung, denn die Technologie war jetzt in einem viel kleineren Gehäuse untergebracht als vorher.

Ein paar Probleme gab es allerdings noch. So verschwand meine Sammlung von 3D-Objekten manchmal aus dem Bereich vor mir und tauchte einige Meter entfernt wieder auf. Und die 3D-Objekte waren zwar aus jedem Blickwinkel erkennbar und scharf, doch wenn ich mich ihnen bis auf weniger als etwa 70 Zentimeter näherte, begannen sie, sich aufzulösen.

Ebenfalls interessant ist die Tatsache, dass das Sichtfeld von HoloLens immer noch eher schmal ist, was es schwierig macht, ganze Objekte im Auge zu behalten, wenn man sich ihnen nähert. Mit einem Prototypen des HoloLens-Konkurrenten Magic Leap, den ich im vergangenen Jahr ausprobierte, konnte ich viel besser in unterschiedlichen Abständen sehen. Andererseits war die Brille von Magic Leap an einem externen Gestell fixiert – das Start-Up hat anders als Microsoft noch kein Headset zum Aufsetzen gezeigt. Zumindest in dieser Hinsicht scheint der Softwareriese also näher daran, den alten Traum von einer Erweiterung der Realität zur Wirklichkeit zu machen.

(sma)