Ferkelhandel bald per Mausklick

Deutsche Landwirte entdecken zunehmend das Internet. Statt die Nase in den Wind zu halten, suchen sie Wetter- und Ernteprognosen inzwischen per Computer.

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  • Michael Evers
  • dpa

Deutsche Landwirte entdecken zunehmend das Internet. Statt die Nase in den Wind zu halten, suchen sie Wetter- und Ernteprognosen inzwischen per Computer. Das Gespräch mit Kollegen in der Dorfkneipe wird um "Acker-Chats" in Gesprächsgruppen mit Landwirten aus aller Welt ergänzt. Bankgeschäfte und die Beschaffung von Ersatzteilen können Bauern per Mausklick erledigen. Und bei der Vermarktung ihrer Erzeugnisse schalten sie über das Internet den Zwischenhandel aus und erzielen höhere Renditen. Neue Marktplätze werden im Netz geschaffen. Selbst an eine Ferkelbörse ist gedacht.

"Die Nachfrage nach Internet-Angeboten wird größer", sagt die Sprecherin des Hessischen Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft in Kassel, Sabine Linker. Vor allem die jüngere Generation der Landwirte mache sich die neue Technik zu Nutze, um von Trends in der Landwirtschaft frühzeitig zu erfahren. "Internationale Ernteprognosen helfen dem Landwirt bei Termingeschäften und der Vermarktung seiner Ware." Schon bei der Ausbildung der Agrarier sei der Computer inzwischen Arbeitsmittel und Unterrichtsgegenstand zugleich.

"Ich unterhalte mich täglich im Acker-Chat mit Kollegen", erzählt Landwirt Klaus-Volker Reuhl aus Gambach (Wetteraukreis). Seine Gesprächspartner befinden sich dabei in Österreich, Kanada und Frankreich. "Die weltweiten Erfahrungen nützen mir." Schneller als über die Behörden könne er praktische Tipps in Erfahrung bringen. Welche Mühle ihm etwa Raps mit einem zu hohen Ölgehalt abkaufe, konnte er über den Gesprächskreis erfahren, der von einer Landwirtschaftszeitung im Netz betrieben wird. In Rheinland-Pfalz hat ein Bauern- und Winzerverband gemeinsam mit einem Kommunikationsunternehmen den marktplatz-rlp.de zum Vertrieb landwirtschaftlicher Produkte eingerichtet. Dort sollen vor allem heimische Erzeugnisse vermarktet werden. Und die Raiffeisen-Warenzentrale Kurhessen-Thüringen in Kassel etwa will ihren klassischen Vertrieb über die Genossenschaften verstärkt aufs Internet ausdehnen und dort auch mit Gebrauchtmaschinen handeln.

"Ersatzteile, die ich bis acht Uhr abends bestelle, liegen morgens um fünf vor der Türe", sagt Reuhl. Welche Firma das passende Teil für seinen Mähdrescher auf Lager hat, hat er zuvor ohne lästiges Telefonieren selber nachgeguckt. Das Wissen, das er über die Websites und Portale landwirtschaftlicher Unternehmen und Zeitungen bezieht, bedeuten für ihn beim Verkauf bares Geld. "Ich bin auf demselben Wissensstand wie mein Vermarktungspartner und erziele fünf bis zehn Prozent höhere Preise als mein Nachbar ohne Internet."

"Der Handel über das Internet wird in Zukunft massiv boomen", sagt der Sprecher des hessischen Landwirtschaftsministerium, Karl-Heinz Happel, voraus. "Viel vom realen Markt wird ins Internet verlegt werden." Selbst eine Ferkelbörse im Netz könne er sich vorstellen. Bei Geschäftspartnern, die sich kennen, könnten Schweinchen dann demnächst per Mausklick den Besitzer wechseln. Auf so einem Markt fühlt Hans-Ulrich Wagner aus Zierenberg (Kreis Kassel) sich noch nicht zu Hause. Die Vermarktung seines Getreides möchte er aber mit einem Kollegen an einen Händler übergeben, der die Marktchancen im Internet an seiner Stelle ausloten soll. (Michael Evers, dpa) (jk)