Die Kontrollspirale

Eigentlich soll der technische Fortschritt das Leben sicherer machen. Seltsamerweise fühlen sich gerade Eltern, als wäre es genau andersherum: Sie sind ängstlicher denn je.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Eigentlich soll der technische Fortschritt das Leben sicherer machen. Seltsamerweise fühlen sich gerade Eltern, als wäre es genau andersherum: Sie sind ängstlicher denn je.

Der Name Mimo klingt süß. Nach einer Märchenfigur oder dem Kosenamen eines Kindes. Deshalb ist es wohl auch ein guter Name für einen Strampelanzug. Doch Mimo ist keine konventionelle Babykleidung: An der linken Bauchseite sitzt eine streichholzschachtelgroße grüne Plastikschildkröte, die mit Sensoren gespickt den Schlaf der Kleinen überwacht. Dafür zeichnet sie die Hauttemperatur und die Bewegungen auf; bestimmt, ob das Baby auf dem Bauch oder Rücken liegt, und schließt aus der Atmung, ob es schläft oder wach ist. All diese Daten schickt die Box per Bluetooth an eine Basisstation, die sie wiederum per WLAN in die Cloud und die App auf dem elterlichen Smartphone überträgt.

Früher gingen Eltern noch persönlich ans Kinderbettchen, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Dann begannen sie, Babyfons und Babykameras mit Lautsprechern zu benutzen, wenn sie sich am anderen Ende der Wohnung befanden und die Kinderzimmertür geschlossen war. Was blieb, war die Sorge, dem Nachwuchs könne etwas zustoßen. Nun gibt es Produkte wie Mimo. Die Technik ist buchstäblich hautnah an die Kinder herangerückt und soll Eltern das Gefühl geben, rund um die Uhr am Babybett zu sein.

Zwar steht ganz unten in der Rubrik „Antworten auf häufige Fragen“ als Mahnung: Mimo wurde nicht dafür entwickelt, den plötzlichen Kindstod zu verhindern und ist kein Ersatz fürs persönliche Aufpassen. Doch das ist nur ein Feigenblatt. Denn die Technik soll trotzdem Zweifel suggerieren: Dem Baby könnte zu kalt oder zu warm sein. Warum ist es mitten in der Nacht wach, vielleicht hat es etwas? Hat es sich auf den Bauch gedreht, obwohl Experten dazu raten, dass es nur auf dem Rücken schlafen soll? Auch Eltern, die sich schwer damit tun, ihre Kinder in ihr eigenes Zimmer zu entlassen, greifen begierig danach – wie Nicole Berglund aus Kalifornien: „Grace kann jetzt in ihrem eigenen Zimmer schlafen, ich kann sie visuell überwachen und während der ganzen Nacht Nachrichten erhalten, wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte“, berichtet sie auf der Mimo-Webseite.

Ein wichtiger Antrieb für den technischen Fortschritt war immer, die Dinge unter Kontrolle zu bekommen. Nun aber stellen wir mit Verwunderung fest: Je stärker wir uns darum bemühen, desto mehr Sicherheitslücken scheinen wir zu entdecken. Die Kontrollspirale dreht sich, und der technische Fortschritt treibt sie an.

(vsz)