Länder versuchen es nochmal mit Jugendmedienschutz

Laut einem neuen Entwurf für einen Staatsvertrag sollen große und geschäftsmäßige Anbieter von Telemedien ihre Inhalte künftig mit Altersfreigaben versehen; ein Pornographieparagraph wird verschärft.

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(Bild: dpa, Jens Wolf)

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Die Bundesländer wollen Jugendschutzprogrammen mit Filterfunktionen für "entwicklungsbeeinträchtigende Angebote" weiterhin zum Durchbruch verhelfen. Da die Software auf eine Alterskennzeichnung durch den Anbieter angewiesen sind, sollen diese ihre Inhalte regelmäßig mit Freigaben versehen. Dies sieht ein neuer Entwurf zur Reform des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) vor, der heise online vorliegt.

Laut dem Papier rückt die Rundfunkkommission der Länder etwas von ihrem besonders umstrittenen Vorschlag ab, dass Online-Plattformen oder soziale Netzwerke ihre Inhalte auch mit einer Alterskennzeichnung versehen sollen. Sie geht damit auf Einwände aus der Online-Konsultation ein. In einem Eckpunktepapier vom Oktober heißt es dazu, dass eine entsprechende Auflage nicht mit dem Telemediengesetz (TMG) vereinbar sei.

Auf eine allgemeine gesetzliche Pflicht, Alterskennzeichen einzusetzen und anzuerkennen, wollen die Länder "vorläufig" verzichten. Sie sehen derzeit keine Chance dafür, eine vergleichbare Bestimmung auch in den Bundesvorgaben verankern zu lassen. Von Diensteanbietern, die "gewerbsmäßig fremde Informationen für Nutzer speichern", sollen Anwender aber trotzdem verlangen können, dass sie ihnen eine Alterskennzeichnung technisch ermöglichen. Hier kommen Betreiber von Plattformen für nutzergenerierte Inhalte also doch noch ins Spiel, auch wenn die Formulierung einigen Interpretationsspielraum bietet.

Einen Bedarf für Altersstufen im Web und einen entsprechenden Rechtsrahmen sehen die Länder nach wie vor. Es solle ein für Online- und Offline-Medien einheitliches Alterskennzeichnungssystem geschaffen werden. Während das Jugendschutzgesetz des Bundes die Kennzeichnung von Offline-Medien bereits vorsieht, gilt dies für die im JMStV geregelten Telemedien bislang noch nicht. Die Länder streben daher an, die im Handel bereits etablierten Altersstufen auch im Jugendmedienschutz zu verankern. Damit würde es für die jugendschutzrechtliche Bewertung von Computerspielen keinen Unterschied mehr machen, ob diese offline oder online vertrieben werden.

Die Rundfunkkommission hatte für das Internet zunächst die Altersstufen "ab 12 Jahren" und "ab 18 Jahren" vorgeschlagen, um den Anbietern die Altersklassifizierung zu erleichtern. Auf Bundesebene haben sich aber die weiteren Kategorien "ohne Altersbeschränkung", "ab 6" und "ab 16 Jahren" bereits etabliert. Auch das bereits bestehende Altersklassifizierungsangebot der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) und teils ferner ausländische Jugendschutzsysteme beruhen auf diesem System. Der aktuelle JMStV-Entwurf übernimmt daher die Stufen aus dem Jugendschutzgesetz.

Jugendschutzprogramme müssen laut dem Entwurf einer Institution der freiwilligen Selbstkontrolle vorgelegt werden. Eine solche hätte darüber zu entscheiden, ob die Filtersysteme "geeignet" sind, also "wenn sie benutzerfreundlich ausgestaltet sind, nutzerautonom verwendbar sind, einen nach Altersstufen differenzierten Zugang zu Angeboten in den Telemedien ermöglichen und dem Stand der Technik entsprechen". Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle sollen ferner die Einhaltung der Bestimmungen des Vertrags überprüfen. Bei Verstößen obläge es zunächst "jugendschutz.net", Anbieter darauf hinzuweisen und die KJM zu informieren.

In die Definitionen für Angebote, die von vornherein unzulässig sind und auch einer eingeschränkten Gruppe nicht zugänglich gemacht werden dürfen, haben die Länder eine erweiterte Pornographie-Bestimmung eingebaut. Betroffen sein sollen etwa nicht mehr nur Darstellungen, die "den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen" zeigen, sondern stattdessen Abbildungen "sexueller Handlungen von, an oder vor Personen unter achtzehn Jahren". Auch die Nazi-Klausel wird ausgedehnt auf Angebote, die "den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stören, dass die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird".

Dem Vernehmen nach planen die Länder zunächst im Juni eine weitere Online-Befragung zu dem Vorstoß. Ende 2010 war ein erster Versuch, den Jugendmedienstaatsvertrag zu novellieren, am Widerstand von Länderparlamenten gescheitert.

(vbr)