Normenkontrollrat legt sich bei der Vorratsdatenspeicherung quer

Der Nationale Normenkontrollrat hat "erhebliche Bedenken" gegen den Regierungsentwurf zum Protokollieren von Nutzerspuren. Das Gremium stößt sich vor allem daran, dass das Kabinett die Kosten für die Wirtschaft übergeht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 60 Kommentare lesen
Bundestag außen
Lesezeit: 3 Min.

Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat der Nationale Normenkontrollrat (NKR) den Regierungsentwurf für eine neue Vorratsdatenspeicherung kritisiert und das Kabinett zum Nachsitzen animiert. In der vorliegenden Fassung entspreche das Papier nicht den Anforderungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien an eine einschlägige Gesetzesvorlage, schreibt das von der großen Koalition 2006 eingeführte Gremium in seiner jetzt in einer Bundesrats-Drucksache veröffentlichten Stellungnahme. Der "Erfüllungsaufwand" für die Wirtschaft werde gar nicht dargestellt, der für die staatliche Verwaltung unzureichend.

Vorratsdatenspeicherung

Der NKR soll der Bundesregierung helfen, Bürokratie abzubauen. Die Institution bezeichnet den ausgemachten Mangel als besonders gravierend, da sie "durch eigene Erhebungen Anhaltspunkte für Kosten der Telekommunikationswirtschaft von bis zu 600 Millionen Euro gefunden hat". Das Vorhaben sehe parallel aber vor, einzelne Unternehmen zu entschädigen, falls Investitionen und gegebenenfalls gesteigerte Betriebskosten "erdrosselnde Wirkung haben könnten". Da sei es seltsam, dass das federführende Bundesjustizministerium den möglichen Aufwand für die Wirtschaft gar nicht beziffern könne und der entsprechende Tatbestand zudem "voller unbestimmter Rechtsbegriffe" sei.

Angesichts der dünnen Ausführungen des Justizressorts haben die Bürokratiewächter nach eigenen Angaben selbst Rücksprache mit den Branchenverbänden Bitkom und eco gehalten. Beide hätten erklärt, dass der Markt entgegen der Annahme des Ministeriums keine Möglichkeit biete, die Kosten für das Instrument "über den Preis an Kunden weiterzugeben". Sie hätten auch das Risiko verfehlter Investitionen ausgemalt für den Fall, dass gegen die Initiative erneut Verfassungsbeschwerden eingereicht würden. Der eco habe zudem geschätzt, dass die Auflagen in dem von ihm mit vertretenen Segment kleiner und mittlerer Provider bis zu 2000 Unternehmen das Genick brechen könnten.

Diese Feststellungen wären auch dem Justizressort möglich gewesen, rügt der NKR. Er erwartet, dass die Bundesregierung die Gesetzesvorlage "spätestens zum Beginn der parlamentarischen Beratungen" kommende Woche entsprechend ergänzt. Nachzubessern sei auch der Teil zu den erwarteten Kosten für die Verwaltung, da hier ebenfalls absehbarer "erheblicher Aufwand" nicht dargestellt werde. Kostenangaben für Strafverfolgungsbehörden und Gerichte aufgrund möglicher Informationsabfragen sowie zum neu geplanten Tatbestand der Datenhehlerei fehlten völlig.

"Nicht nachvollziehen" kann der Rat ferner, weshalb das Ministerium eine Evaluierung des Vorstoßes ausschließe und so vom einschlägigen Konzept des Staatssekretärsausschusses abweiche, ohne dies zu begründen. Es sei unverzichtbar binnen angemessener Frist zu überprüfen, ob das Ziel des angestrebten "effektiven Grundrechtsschutzes" tatsächlich erreicht werde. Auch wegen der bereits erwähnten wirtschaftlichen "Nebenfolgen" sei eine Evaluation "alles andere als entbehrlich".

Die Bundesregierung hat ihren Entwurf inzwischen beim Bundesrat eingebracht, der aber nicht zustimmungspflichtig sein soll. In diesem Rahmen hält sie daran fest, dass der "Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft derzeit nicht beziffert werden kann". Die Zahlen der Verbände wichen zu stark voneinander ab.

Zudem hängen die tatsächlich entstehenden Kosten für die Provider dem Kabinett zufolge maßgeblich vom "detaillierten Anforderungskatalog" ab, den die Bundesnetzagentur auf Basis der gesetzlichen Vorgaben zur Datensicherheit erst noch erstellten müsste. Den Unternehmen blieben auch sechs Monate Umsetzungsfrist, sobald die Regulierungsbehörde zu Potte gekommen sei. Die Betroffenen halten diese Zeitspanne freilich für viel zu kurz. Ausführungen zum "Mehraufwand" der Justiz will die Regierung inzwischen in ihren Entwurf von voriger Woche eingebaut haben. (axk)