ICANN: Denn nur wenige wissen, was sie tun

Ein Interview mit dem ICANN-Kandidaten Axel Zerdick, Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität.

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Der FU-Professor Axel Zerdick will mit Unterstützung der Initiative D21 seinen Wahlkampf um einen Posten als ICANN-Direktor führen und im Falle einer Wahl durch die Surfer seine Arbeit bei der "Netz-Verwaltungsbehörde" mit seiner Forschung verbinden. Stefan Krempl sprach für heise online mit dem umtriebigen Wissenschaftler.

heise online: Täglich nominieren sich weitere Kandidaten für die Wahl zum europäischen ICANN-Direktor. Wie wollen Sie auf Stimmenfang gehen?

Axel Zerdick: Ich finde es erfreulich, dass es täglich mehr potenzielle Kandidaten werden. Das zeigt, dass das Internet von vielen Leuten inzwischen Ernst genommen wird und dass die Bestrebungen, für die "Internet-Weltregierung" eine demokratische Legitimation zu finden, hier zu Lande auf besonders fruchtbaren Boden gefallen sind. Der Wahlkampf selbst läuft zunächst größtenteils über die Nominierungsseiten von ICANN. Hinzu wird später eine Kandidatenwerbung über die für die Netzgemeinde wichtigen On- und Offline-Medien kommen. Das hat den Vorteil, dass damit auch Interessenten angesprochen werden, die nicht als Wähler registriert sind, aber so auf die Probleme der Fortentwicklung des Internet aufmerksam werden sollten.

heise online: Sie werden offiziell von der Internetinitiative D21 unterstützt, hinter der rund 80 deutsche Konzerne stehen. Kann man damit auch die eher nicht an Institutionen glaubenden alten "Netzhasen" gewinnen?

Zerdick: Ich denke, dass nur Kandidaten eine Chance haben, die von mehreren Interessengruppen innerhalb des Netzes unterstützt werden. Die Hilfe von D21 ist also sicher wertvoll. Bliebe es aber nur bei dieser einen Gruppierung, wäre das bedauerlich. Es gilt ja, einen Kandidaten für Deutschland und ganz Europa zu wählen, der die Unterstützung möglichst vieler Wähler hat.

heise online: Falls Sie gewählt werden: welche Ziele würden Sie in Ihre Arbeit bei ICANN einbringen?

Zerdick: Der wichtigste Punkt ist, dass ICANN sich um die technischen Aspekte der Netzverwaltung kümmert. Ich bin beeindruckt von dem technischen Sachverstand der Direktoren, die jetzt schon im Verwaltungsrat wirken. Meine Rolle würde ich darin sehen, das Spektrum der Diskussionspunkte zu erweitern um netz-ökonomische Aspekte sowie um die Frage, wie sich Entscheidungen ICANNs auf die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Dimension auswirken. Wichtig ist auch die Rückkoppelung dieser Entscheidungen auf die Netzgemeinde in Europa.

heise online: Für wie wichtig halten Sie die Arbeit der ICANN? Die einen sprechen ja von einem Modell für die Netzregierung, andere sehen gerade in der Wahl der Direktoren eine demokratische Farce.

Zerdick: Wie wichtig ICANN ist, werden wir zum Teil erst dann merken, wenn dort unreflektiert und voreilig Entscheidungen getroffen werden. Viele der noch unter der Obhut des amerikanischen Wirtschaftsministeriums getroffenen Beschlüsse zur Vergabe von Domains haben eine Reihe von Problemen ausgelöst - zum Teil beim Markenrecht, zum Teil im Bereich der internationalen Konkurrenzfähigkeit mit den USA. Einen Schritt in die richtige Richtung gegangen ist ICANN bereits mit der eingeleiteten Internationalisierung. Der war allerdings noch nicht weit genug und zu unbeholfen, wie auch die Undurchsichtigkeit des Wahlverfahrens beweist. Wenn ICANN so weitermacht, wird die internationale Aufmerksamkeit rund um die Domain-Verwaltungsstelle begrenzt bleiben und sich alles weiterhin nur in Expertenkreisen bewegen. Die Blicke der ganzen Welt würden sich dann erst auf ICANN richten, wenn die Direktoren große Fehler machen.

heise online: Wie könnte man ICANN offener gestalten?

Zerdick: Meine Hoffnung ist, dass über eine kontinuierliche Diskussion über die Aufgaben von und die Abläufe bei ICANN eine frühere Sensibilität bei allen erzeugt wird, die von den Beschlüssen betroffen sind. Und das sind schließlich alle, die von der Weiterentwicklung des Internet weltweit profitieren wollen. ICANN könnte sich auch eine Scheibe abschneiden von den deutlich offener gestalteten demokratischen Entscheidungen in der "normalen" Politik. Da müssen sich die Bürger nicht erst zu Wählern erklären, wie es bei ICANN in Form der Mitgliederregistrierung erforderlich war. ICANN ist im Moment mit Sicherheit kein Modell für die internationale Demokratie. Der Verwaltungsrat versucht aber, sich in diese Richtung weiterzuentwickeln. Ob das gelingt, wird sich nach der einen Wahlrunde wohl noch nicht sagen lassen.

heise online: Die Mitarbeit bei ICANN ist sehr Zeit intensiv und erfordert die Teilnahmen an Konferenzen rund um die Welt. Wie lässt sich das mit ihrer Tätigkeit als Professor vereinbaren?

Zerdick: Die Arbeit ist für alle natürlich gleich groß. Aber sie kann am gewinnbringendsten sein, wenn sie sich mit anderen inhaltlichen Interessen und Forschungsprojekten überlagert. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr intensiv mit den ökonomischen und gesellschaftspolitischen Auswirkungen des Internet auseinandergesetzt. Das bedeutet, dass ich die ICANN-Tätigkeit im Rahmen der Fortführung dieser Forschungen eh intensiv beobachten würde. Die Verbindung von inhaltlichem Interesse und dem zu veranschlagenden Zeitaufwand würde sich also als relativ günstig herausstellen.

(Stefan Krempl) (jk)