Zeitenwende im Kuhstall
Im Computerraum riecht es nach Kuhmist. Immer wenn Alois Wohlfahrt die Fenster im Telezentrum in Rettenberg im Allgäu öffnet, weht Landluft vom Stall nebenan herein.
Im Computerraum riecht es nach Kuhmist. Immer wenn Alois Wohlfahrt die Fenster im Telezentrum in Rettenberg im Allgäu öffnet, weht Landluft vom Stall nebenan herein. Auf seinem Bauernhof zeigt der 39-Jährige Landwirt, wie das Bayern-Rezept von "Laptop und Lederhose" in die Praxis umgesetzt werden kann. Als einziger Landwirt in Bayern hat er direkt auf seinem bewirtschafteten Hof in einem ehemaligen Kuhstall ein Telezentrum für Computerarbeit eingerichtet. "Der Bauernhof ist der ideale Arbeitsplatz für die stressigen IT-Berufe", sagt Wohlfahrt überzeugt. Zusammen mit seiner Frau und mehreren Mitarbeitern entwickelt der Landwirt in dem Zentrum eine Geo-Daten-Zentrale für die Region. Außerdem vertreibt er Käse, Wurst, Honig und andere Produkte der Landwirte im Allgäu über das Internet. Der Freistaat Bayern fördert das Telezentrum mit rund 920 000 Mark.
"Deutlicher als in diesem ehemaligen Kuhstall könnte die Zeitenwende nicht dargestellt werden», lobt Landwirtschaftsminister Josef Miller das Projekt. Insgesamt unterstützt das Land die insgesamt 24 Telezentren in Bayern aus den Mitteln des Telematik-Programms "top elf". Dadurch sind nach Worten von Miller bislang mehr als 200 Arbeitsplätze in ländlichen Regionen entstanden. "Weitere werden folgen", sagt Miller.
Bis vor zwei Jahren hat Wohlfahrt in dem heutigen Telezentrum noch Kühe gemolken. Als sich die wirtschaftliche Lage des Hofs verschlechterte, suchte er nach Alternativen. "Ich bin keiner, der jammert und sagt, es geht den Bach runter", sagt er. Kurzerhand tauschte er die Kuhtränke gegen PCs und den Strohboden gegen ein Glasfaserkabel für einen schnellen Internet-Zugang. Inzwischen arbeiten vier Web-Designer und andere Computerfachleute in dem Betrieb. Die Kühe wollte Wohlfahrt dennoch nicht vom Hof verbannen: Sie mussten nur in einen anderen Stall umziehen.
In den kommenden Monaten will Wohlfahrt in dem Zentrum auch Bäuerinnen aus der Region fortbilden. "Wir wollen sie dazu bringen, dass sie die Höfe nicht verlassen müssen, sondern von dort aus arbeiten können", beschreibt Wohlfahrt seine Pläne. Nach der Ausbildung werden die Bäuerinnen per Computer an ein Call-Center angeschlossen. So können sie beispielsweise Anrufe von interessierten Touristen entgegen nehmen und ihnen Tipps für den Urlaub im Allgäu geben. Für Wohlfahrt hat die Telearbeit gerade im ländlichen Raum eine große Zukunft. Die Startschwierigkeiten der Arbeit außerhalb der Büros liegt aus seiner Sicht bei den Chefs: "Telearbeit ist eher ein Problem der Vorgesetzten als der Beschäftigten." (Von Daniela Wiegmann, dpa) (jk)