.NET soll Microsofts Web-Wunderwaffe werden

Microsoft meint, dass das Web Visionen braucht, um sich weiterzuentwickeln - und die habe man in Redmond: die "Next Generation Windows Services", nun ".NET" genannt.

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Von
  • Peter Siering

Die Next Generation Windows Services (NGWS), schon länger immer wieder angekündigt, haben nun einen endgültigen Namen: .NET nennt Microsoft seine Initiative. Das kündigte der Software-Riese auf dem Forum 2000 an, einer gestern in Redmond abgehaltenen Veranstaltung für Journalisten und Analysten. Microsoft will mit .NET Internet, PC und mobile Gerätschaften wie PDA und Handy verheiraten. Das Internet ergänzt um Microsoft-Technologien soll zum zentralen Daten- und Dienstleistungspool mutieren, den diese Gerätschaften anzapfen können. Microsoft verspricht damit nicht nur Informationen jederzeit und überall, sondern legt gleich noch florierenden eCommerce und perfekte Business-to-Business-Lösungen oben drauf. Freilich funktioniert all das nur perfekt, wenn auf allen Geräten auch .NET-Software läuft.

Das Internet stellt nur die Basis dar. Den Grundstock für die .NET-Infrastruktur soll XML legen. Es soll an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Angeboten, aber auch bei den verschiedenen Darstellungsformen von Informationen die Vermittlerrolle spielen. Doch erst darauf aufbauende Produkte und – verstärkt auch – Dienstleistungen von Microsoft machen .NET zu einer runden Sache: Die Microsoft-Software soll SOAP nutzen, einem auf XML und HTTP aufsetzenden Standard, um verteilte Objekte kommunizieren zu lassen. Im Dienstleistungsbereich will Microsoft Aktivitäten wie bCentral ausbauen. Aber nicht nur: Längerfristig ist abzusehen, dass Microsoft selbst eine spezielle Office-Version als .NET-Anwendung verkauft.

Unmittelbare Auswirkungen haben all die Ankündigungen nicht. Microsoft betont, man werde alle Produkte, etwa Office, die nächsten Jahre in klassischer Form weiterhin anbieten. In einer neuen Windows-Version, die 2001 auf den Markt kommen soll, werden erste .NET-Bestandteile integriert sein. Frühestens 2002 soll dann der Löwenanteil von .NET stehen – eventuell auch später. Nichts desto trotz war auf den Präsentationen auf dem Forum 2000 deutlich zu spüren, dass sich Microsoft vor allzu heftigen Vaporware-Vorwürfen schützen wollte, indem die Referenten mehrfach auf echten Code in ihren Demos hinwiesen.

Die ersten Ausläufer von .NET treffen vor allem Entwickler. Schon bald soll es eine Vorabversion des Entwicklungssystems Visual Studio 7 geben, das sich ganz der Web-Entwicklung verschreibt. Laut Microsoft wird es damit möglich sein, ähnlich wie mit VisualBasic via Drag&Drop spezielle .NET-Webseiten zusammenzubauen. Der Gag dabei: Entwickler können .NET-Komponenten für Frontend und Server gleichzeitig bearbeiten und testen. Visual Studio 7 soll neben Basic weitere Programmiersprachen unterstützen. Microsoft will zudem angeblich schon bald eine eigene Sprache namens C# vorstellen, bei der es sich letztlich allerdings nur um einen Java-Clone handeln dürfte.

Man darf gespannt sein, ob es Microsoft erneut gelingt, mit solchen Visionen die Branche zu beeindrucken. Microsoft selbst hält die .NET-Entwicklung für weitaus bedeutender als seinerzeit den Entschluss, Windows und Internet zu verheiraten. Die Microsoft-Redner zogen wiederholt den Vergleich mit dem Übergang von DOS auf Windows. Besonders interessant dürfte indes die Reaktion der US-amerikanischen Justiz auf .NET sein. William Blumenthal, Justizminister im US-Bundesstaat Connecticut und auf Klägerseite am Antitrust-Verfahren gegen Microsoft beteiligt, kommentierte gegenüber CNBC die .NET-Initiative als "Erfüllung der übelsten Befürchtungen". Microsoft-Chef Steve Ballmer hält aber nichts von solchen Einwänden: Er sieht Microsofts Aufgabe darin, solche Visionen in die Tat umzusetzen, und meint, dass Microsoft es der Regierung ohnehin nicht recht machen könne. (ps)