Sag zum Abschied leise Service

Kleine Alltagsbeobachtungen zur Frage der Benutzbarkeit - vom Aufzug bis zum Backrohr.

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Von
  • Peter Glaser

Es sind nicht nur krude Bedienungsanleitungen, die uns mit dem Gefühl versorgen, unfähig, Hightech-behindert oder schwer von Begriff zu sein. Das Antibenutzbarkeitsvirus ist omnipräsent: In dem Einkaufszentrum ein paar Straßen weiter fahren die Aufzüge über vier Geschosse, von einem Spa im zweiten Obergeschoß bis in die Ladenzeilen im Untergeschoß. Die Knöpfe in den Aufzugkabinen sind beschriftet mit "2", "1", "EG" und "B". Neulich war ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf dem Weg nach unten. Der Junge, der schon lesen konnte, durfte drücken. "Vati, was heißt B?" – Vati wusste es auch nicht. Und immer wieder begegne ich in dem Aufzug Leuten, denen das B ein Rätsel ist. Das Kürzel für "Basement", das ein Planer wohl für weltläufig gehalten hatte, macht den Aufzug zu einem Ort, der ohne Not seine Passagiere verunsichert und Väter in Verlegenheit stürzt.

Gegenüber im Bahnhof sind in den Aufzügen zu den Bahnsteigen auf dem Knopfbrett die Funktionen auch in Braille-Schrift verzeichnet. Vorbildlich, möchte man meinen, allerdings sind die erhabenen Muster der Blindenschriftzeichen auf Metallfeldern angebracht, die genauso aussehen wie die Bedienknöpfe darunter. Fast jeder, der den Aufzug betritt, drückt erstmal auf die Blindenschrift-Felder, die man intuitiv für die eigentlichen Knöpfe hält (und die Knöpfe darunter für die Beschriftung mit den Funktionssymbolen). Oft stehen Passagiere dann in dem Aufzug, haben ihn – nach ihrem Dafürhalten – bereits in Gang gesetzt und fangen an zu überlegen, ob er defekt ist.

Die Verwirrung, die realitätsfremd angeordnete oder schwachsinnig beschriftete analoge Knöpfe auslösen, wird mühelos in den Schatten gestellt durch die moderne, virtuelle Form des Knopfes, den aus Software geformten Button am Bildschirm. Eines der ersten Schreibprogramme, das ich vor Zeiten verwendet habe, brachte gelegentlich eine Auswahlbox mit zwei Buttons zum Vorschein, zwischen denen man wählen konnte: Abbrechen oder Beenden. Da das Abbrechen auch eine Art des Beendens ist, kam ich ins Grübeln. Nach einer Weile hatte ich raus, dass man mit Beenden das Programm abbrechen und mit Abrechen das Beenden abbrechen konnte.

Mit ausdrücklicher Absicht ist hier übrigens von Schreibprogramm die Rede. Die Bezeichnung Textverarbeitung weist auf ein weiteres Stück Benutzbarkeitsproblematik hin, sie führt nämlich schlankweg in die Irre. Denn sowenig wie Michelangelo Marmorverarbeitung betrieben hat, wird jemand, der schreibt, sagen: Ich verarbeite Text. Das "Word Processing", dessen gedankenlose Eindeutschung immer noch dem wesentlich prägnanteren Schreibprogramm Konkurrenz macht, weist auf die Herkunft des Produkts: die Welt der Prozessoren.

Die darin tätigen Programmierer haben von dem, was ein Text ist, eine völlig andere Aufassung als jemand, der ein Memo, ein Gedicht oder einen Zeitungsartikel schreibt. Das ist unter anderem der Grund dafür, dass man jahrelang in Textverarbeitungen zwar ganze Zeilen löschen konnte, die Programme aber eines der grundlegenden Elemente geschriebener Sprache bis heute nicht kennen, nämlich den Satz.

Die Übergänge vom Analogen ins Virtuelle sind zunehmend, und sie sind fließend. Als ich bei einer Freundin die Bedienungsanleitung für ein nagelneues Backrohr studierte – wir wollten eine conveniente Tiefkühlpizza erwärmen – gab ich schließlich nach einer Viertelstunde und dem Hinweis "Drücken Sie den Knopf auf Seite 16" auf – auf Seite 16 war weder ein Knopf, noch ein inhaltlicher Bezug zu meinen unbeantworteten Fragen, mit denen ich mich nach dorthin durchgeblättert hatte. Ich überlegte kurz, die Bedienungsanleitung auf einem Backblech anzuzünden und damit die Pizza heißzumachen. (wst)