Geheimdienstbeauftragter im NSA-Ausschuss: "Es gibt keine Verschwörung"

Fehler beim BND wie "Organisationsverschulden" seien im NSA-Skandal passiert, hat der Geheimdienstbeauftragte im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, eingeräumt. Er sei über brisante Suchziele erst jüngst informiert worden.

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NSA Abhöraffäre

(Bild: dpa, Andreas Gebert)

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Klaus-Dieter Fritsche, Beauftragter des Bundeskanzleramts für Geheimdienste, sieht beim Bundesnachrichtendienst (BND) "Optimierungspotenzial". Dieses beziehe sich vor allem auf die interne Meldekette und das Informationsverhalten, sagte er am Donnerstag NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Es sei aber Aufgabe dieses Gremiums, Fehler zu benennen. Die Bundesregierung helfe nur dabei.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Bei den illegitimen Selektoren, die die NSA dem BND unterjubelte, "sind wir noch in der Sachverhaltsaufklärung", berichtete der Verwaltungsjurist. Diese habe im Kanzleramt "im März diesen Jahres" begonnen. In einer einschlägigen "Gesuchsmappe" der Regierungszentrale hätten 2010 schon die Firmen EADS und Eurocopter gestanden, wusste Fritsche, der zu dieser Zeit Innenstaatssekretär war. Dies habe aber keine Alarmglocken läuten lassen, da die Begriffe nicht mit Selektorenlisten verknüpft worden seien.

Ex-BND-Präsident Ernst Uhrlau hatte vorige Woche zu Protokoll gegeben, dass die Missbrauchsversuche in höchsten Kreisen der Bundesregierung bereits 2006 erörtert worden seien. An entsprechende Gespräche etwa über Wirtschaftsspionage könne er sich nicht erinnern, hielt der Zeuge dagegen. Es sei ihm dazu "nichts schriftlich vorgelegt worden", obwohl er zu derlei Themen immer einen solchen Bericht verlangt habe.

Fakt sei, dass im Rahmen der BND-NSA-Kooperation "gegen vorliegende Vereinbarungen gearbeitet wurde", konstatierte Fritsche. Es könne nicht sein, dass "so bedeutende Dinge" der Fach- und Dienstaufsicht dem Kanzleramt nicht mitgeteilt worden seien. Auch im BND hätten die Erkenntnisse über den Verstoß gegen das Kooperationsabkommen und deutsche Interessen die Leitungsebene offenbar nicht erreicht. Der Dienst hätte schon 2005 darüber berichten müssen. Auch den "Schwachstellenbericht" des BND zu Projekten mit der NSA kenne er erst seit März 2015, sagte der Zeuge. Fehler der Aufsicht könne er "nicht entdecken". Es gebe ausdrückliche Meldeanweisungen.

Es habe später "industriepolitische Diskussionen" gegeben, ob die Zusammenarbeit mit der NSA ausgebaut werden sollte. Dagegen sei ins Feld geführt worden, dass sich damit der "Abstand im Know-how" zwischen dem BND und dem US-Partner noch vergrößern würde. Eine Rolle gespielt habe auch, dass das Ausfiltern von Daten von Bundesbürgern bei der Operation Eikonal zum Ausforschen eines Netzknotens der Deutschen Telekom in Frankfurt "rein technisch" schwierig gewesen sei. Die händische Kontrolle habe 24 Stunden gedauert. Die Kooperation sei schließlich nicht intensiviert worden.

Der Insider überraschte mit der Aussage, dass über eine Art No-Spy-Abkommen nach wie vor "auf dienstlicher Ebene" verhandelt werde. Er sei bei den Erfolgsaussichten "nicht absolut pessimistisch". Ein solcher Vertrag, der seit Anfang 2014 als gescheitert gilt, sollte grundsätzlicher Art und projektübergreifend sein und etwa festschreiben, dass auch US-Dienste auf deutschem Boden hiesiges Recht beachten müssten. Entsprechende Vereinbarungen seien bislang nicht immer eingehalten worden. Europäische Ziele dürften ausgespäht werden, wenn sie vom Auftragsprofil der Bundesregierung erfasst, also Bereichen wie Waffenhandel oder Terrorismus zugeordnet seien.

Die bei vielen Zeugen auftretenden Gedächtnislücken plagten auch Fritsche. So konnte er sich etwa an die Operation Glotaic, bei der der BND zusammen mit der CIA einen US-Provider im Rheinland ausforschte, nicht erinnern. Details wollte der Staatssekretär generell nur in geheimer Sitzung preisgeben. Zu Beginn seiner Vernehmung hatte er um Verständnis geworben, dass "nicht alles offen diskutiert werden kann". Man sei in der Zusammenarbeit mit anderen Diensten auf gegenseitige Geheimhaltung angewiesen. Der CSU-Politiker verwehrte sich auch gegen die Ansicht, BND-Mitarbeiter hielten sich nicht an Gesetze und Regeln: "Es gibt keine Verschwörung, sondern nur menschliche Fehler."

Zuvor hatten die Ausschussmitglieder zwei Stunden über einen Antrag der Koalition beraten, im Einklang mit einem Vorschlag der Bundesregierung einer "unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson Einsicht" in die Selektorenlisten zu gewähren. Diese müsse die Übersichten "im Bundeskanzleramt vollständig sichten sowie unabhängig und weisungsfrei bewerten" können, heißt es in dem heise online vorliegenden Papier. Ein Name für die "Vertrauensperson" wird über Twitter schon gehandelt. Demnach hat Schwarz-Rot den Ex-Richter am Bundesverwaltungsgericht Kurt Graulich ins Spiel gebracht.

Es sei noch keine Entscheidung getroffen worden, erklärte SPD-Obmann Christian Flisek, der den gewählten Ansatz "im ersten Schritt" für geeignet hält. Nina Warken von der CDU/CSU-Fraktion sprach von einer "guten Möglichkeit, um unsere Kontrollrechte wahrzunehmen". Die Opposition sieht sich dagegen vor den Kopf gestoßen. Das Parlament werde "brüskiert", beklagte die Obfrau der Linken, Martina Renner. "Wir halten das für verfassungswidrig." Die Abgeordneten dürften nicht "zu Hilfsdienern der Bundesregierung werden". (mho)